Warum sind Facebook und andere soziale Netzwerke so erfolgreich?

Über die Aus­wir­kun­gen der Nut­zung von Medi­en und dabei ins­be­son­de­re der sozia­len Netz­wer­ke auf das mensch­li­che Den­ken wird der­zeit viel dis­ku­tiert. Weni­ger Beach­tung fin­det dabei die Fra­ge, war­um sozia­le Netz­wer­ke so aus­gie­big genutzt wer­den. Mei­ne Ant­wort aus psy­cho­lo­gi­scher Sicht lau­tet wie folgt: Sozia­le Netz­wer­ke sind des­halb so popu­lär, weil sie die durch zuneh­men­de Abschot­tung dün­ner wer­den­den Bezie­hungs­net­ze im rea­len Lebens­raum durch Bezie­hun­gen im vir­tu­el­len Raum erset­zen. Die Ursa­che dafür sehe ich in dem wäh­rend der ver­gan­ge­nen 200 Jah­re immens gestie­ge­nen Wohl­stand. Der indi­vi­du­el­le Lebens­raum hat sich deut­lich ver­grö­ßert, aller­dings sind dadurch auch die Abstän­de zwi­schen den Men­schen grö­ßer gewor­den. Leb­te man frü­her mit meh­re­ren Gene­ra­tio­nen unter einem Dach, und leb­ten nicht sel­ten gan­ze Fami­li­en in einem Zim­mer, und gab es also immer eine Art per­ma­nen­ten sozia­len Grund­rau­schens, so kann heu­te davon kei­ne Rede mehr sein. Sin­gle­haus­hal­te, Klein­fa­mi­li­en und kin­der­lo­se Paa­re prä­gen das Bild. Vor die­sem Hin­ter­grund erscheint die Auf­merk­sam­keits­zer­stäu­bung, zu der die inten­si­ve Nut­zung des Inter­nets und beson­ders der sozia­len Netz­wer­ke angeb­lich führt, in einem ganz ande­ren Licht: Wir holen uns mit Face­book ein Stück Höh­le oder Dorf zurück. Die Bedürf­nis­se des Men­schen sind im Grun­de die sel­ben wie ehe­dem geblie­ben, nur die Umwelt hat sich rasant verändert.

Ich habe das in etwas aus­führ­li­che­rer Form und ver­bun­den mit der Fra­ge, wel­che ethi­schen Beden­ken sich mit Blick auf den Erfolg sozia­ler Netz­wer­ke erge­ben, in einem Arti­kel auf­ge­schrie­ben, der kürz­lich in einem Tagungs­band des Inter­na­tio­na­len Hoch­schul­in­sti­tuts Zit­tau im Rai­ner-Hampp-Ver­lag erschie­nen ist.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Jörg Heidig, Jahrgang 1974, nach Abitur und Berufsausbildung in der Arbeit mit Flüchtlingen zunächst in Deutschland und anschließend für mehrere Jahre in Bosnien-Herzegowina tätig, danach Studium der Kommunikationspsychologie, anschließend Projektleiter bei der Internationalen Bauausstellung in Großräschen, seither als beratender Organisationspsychologe, Coach und Supervisor für pädagogische Einrichtungen, soziale Organisationen, Behörden und mittelständische Unternehmen tätig. 2010 Gründung des Beraternetzwerkes Prozesspsychologen. Lehraufträge an der Hochschule der Sächsischen Polizei, der Dresden International University, der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz.