Modelle und Methoden der Organisationsentwicklung, Teil 3: eine einfache Methode der Teamdiagnose

Im vor­an­ge­gan­ge­nen Teil die­ser Serie ging es um Metho­den, mit denen man Füh­rungs­kräf­te-Klau­su­ren oder Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs-Work­shops begin­nen kann. Ist die Ziel­grup­pe hin­ge­gen nicht eine Run­de aus Top-Füh­rungs­kräf­ten, son­dern ein kon­kre­tes Team und/oder will man nicht so offen her­an­ge­hen, gibt es eine eben­so alte wie ein­fa­che Metho­de für Teams (oder auch Füh­rungs­kräf­te-Run­den, die eine klas­si­sche Team­grö­ße von 6–8 Per­so­nen nicht über­stei­gen), die man zu Beginn als eine Art „Dia­gno­se-Instru­ment“ nut­zen kann. Es han­delt sich dabei um den Team-Fra­ge­bo­gen von McGre­gor. Er ent­hält Ein­schät­zungs­ska­len zu wich­ti­gen Dimen­sio­nen der Zusam­men­ar­beit und des Kli­mas in Teams:

Prak­ti­sche Durch­füh­rung: Man teilt die Blät­ter aus und bit­tet jede/n Teilnehmer/in, die aktu­el­le Situa­ti­on im Team anhand des Fra­ge­bo­gens ein­zu­schät­zen. Danach sam­melt man die Bögen ein und über­trägt die Ein­zel­ein­schät­zun­gen anonym in ein Gesamt­bild. Die­ses Gesamt­bild prä­sen­tiert man den Team­mit­glie­dern und bit­tet um Inter­pre­ta­ti­on des Gesamt­ein­drucks. In der Regel wirkt eine sol­che „Dia­gno­se“ über­ra­schend und pro­vo­ziert eine Rei­he von inter­es­san­ten State­ments und Refle­xio­nen. Aus­ge­hend von der — gemein­sa­men! — Inter­pre­ta­ti­on des Gesamt­bil­des kann man ver­schie­de­ne Din­ge besprechen:

  • Wie schät­zen Sie die aktu­el­le Situa­ti­on im Team ein?
  • Was läuft gut?
  • Wel­che The­men sind „Bau­stel­len“ und wie wol­len Sie die­se angehen?
  • Was bedeu­tet das für die Zusam­men­ar­beit, die Kom­mu­ni­ka­ti­on, die Bespre­chungs­fre­quenz und ‑dau­er bzw. die Art und Wei­se der Auf­ga­ben­ko­or­di­na­ti­on im Team?
  • Was wäre hilf­reich für Ihr Team, und wel­che kon­kre­ten Abspra­chen wol­len Sie treffen?

Die fol­gen­de Abbil­dung zeigt ein älte­res Praxisbeispiel:

Abbil­dung: Visua­li­sie­rung der Ergeb­nis­se des Bewer­tungs­bo­gens zur Team­ent­wick­lung (nach McGre­gor, 1967; vgl. Rech­ti­en 1999, S. 140; dort in Anleh­nung an Comel­li, 1985) anläss­lich eines Trai­nings mit einem fünf­köp­fi­gen Team; Foto: Her­bert Bock

Es han­delt sich um den Füh­rungs­kreis einer Orga­ni­sa­ti­on, bestehend aus einem Geschäfts­füh­rer und vier Abtei­lungs­lei­te­rin­nen und Abtei­lungs­lei­tern. Die Ein­zel­ein­schät­zun­gen waren hin­rei­chend unter­schied­lich, um eine Refle­xi­on der „Bau­stel­len“ des Füh­rungs­krei­ses zu pro­vo­zie­ren. Zunächst ver­lief die Refle­xi­on recht kon­tro­vers, oder anders for­mu­liert: Anfäng­lich wur­den die Ergeb­nis­se recht kon­tro­vers dis­ku­tiert, nach einer Wei­le jedoch mün­de­te die Dis­kus­si­on in Betrof­fen­heit und die Fest­stel­lung, dass man „in einem Boot sit­ze“ und dass die nach­ge­ord­ne­ten Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ter sicher eine ein­heit­li­che­re und reflek­tier­te­re Füh­rung erwar­te­ten, als momen­tan gege­ben sei. Mit die­ser Ein­sicht wur­de aus der Dis­kus­si­on eine Refle­xi­on — man begann, ergeb­nis- und lösungs­ori­en­tier­ter zu arbei­ten. Die betei­lig­ten Füh­rungs­kräf­te ent­wi­ckel­ten eine Visi­on für ihre Zusam­men­ar­beit, ver­ein­bar­ten Zie­le und tra­fen Abspra­chen hin­sicht­lich kon­kre­ter Ände­run­gen in ihrer Zusammenarbeit.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Jörg Heidig, Jahrgang 1974, nach Abitur und Berufsausbildung in der Arbeit mit Flüchtlingen zunächst in Deutschland und anschließend für mehrere Jahre in Bosnien-Herzegowina tätig, danach Studium der Kommunikationspsychologie, anschließend Projektleiter bei der Internationalen Bauausstellung in Großräschen, seither als beratender Organisationspsychologe, Coach und Supervisor für pädagogische Einrichtungen, soziale Organisationen, Behörden und mittelständische Unternehmen tätig. 2010 Gründung des Beraternetzwerkes Prozesspsychologen. Lehraufträge an der Hochschule der Sächsischen Polizei, der Dresden International University, der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz.