Was tun Organisationsentwickler eigentlich?

Bera­ter kön­nen eine wich­ti­ge Rol­le spie­len, wenn es dar­um geht, Orga­ni­sa­tio­nen zu opti­mie­ren oder wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Doch was genau tun Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­ler wäh­rend ihrer Arbeit? In ers­ter Linie hel­fen Bera­ter Orga­ni­sa­tio­nen dabei, in mög­lichst effi­zi­en­ter Wei­se ihren Zweck zu erfül­len. Der Zweck der Orga­ni­sa­ti­on dient dabei als Maß­stab: Eine Orga­ni­sa­ti­on exis­tiert zu einem bestimm­ten Zweck, und was in einer Orga­ni­sa­ti­on pas­siert, soll vor allem auf die­sen Zweck ein­zah­len. Dabei kommt es selbst­re­dend zu „Rei­bungs­ver­lus­ten“. Bei­spiels­wei­se kön­nen Struk­tu­ren unge­eig­net sein, den Zweck in opti­ma­ler Wei­se zu errei­chen. Manch­mal behin­dert auch die Art und Wei­se der Kom­mu­ni­ka­ti­on die Orga­ni­sa­ti­on. In sol­chen und wei­te­ren Fäl­len kann exter­ne Bera­tung hilf­reich sein.

Bera­ter kön­nen ver­schie­de­ne Rol­len über­neh­men. Sie kön­nen Ana­lys­ten, Mode­ra­to­ren, Beglei­ter oder Coa­ches sein. Ihr Haupt­ziel ist es, Raum für Anpas­sun­gen und Ver­bes­se­run­gen zu schaf­fen. Dies geschieht auf drei ver­schie­de­ne Arten:

Die Rol­le des Spe­zia­lis­ten: Hier agie­ren Bera­ter wie Exper­ten, die sich auf bestimm­te Pro­ble­me spe­zia­li­siert haben. Die Orga­ni­sa­ti­on erkennt ein Pro­blem und sucht nach einem pas­sen­den Spe­zia­lis­ten, um eine Lösung zu fin­den. Dies kann bei tech­ni­schen Pro­ble­men oder der Suche nach der rich­ti­gen Per­son für eine spe­zi­el­le Rol­le der Fall sein (Per­so­nal­aus­wahl, Eig­nungs­fest­stel­lung usw.).

Die Rol­le des Arz­tes: In die­ser Rol­le ähneln Bera­ter Ärz­ten. Sie ana­ly­sie­ren die Situa­ti­on, stel­len eine aus­führ­li­che Dia­gno­se und geben Emp­feh­lun­gen für pas­sen­de Lösun­gen. Anders als in der Spe­zia­lis­ten­rol­le geht es hier dar­um, gemein­sam mit der Orga­ni­sa­ti­on den bes­ten Ansatz zu finden.

Die Rol­le des Pro­zess­be­glei­ters: Hier beglei­ten Bera­ter den Pro­zess der Lösungs­fin­dung. Es wird ange­nom­men, dass weder das Pro­blem bereits genau beschreib­bar ist noch klar ist, was die Lösung sein und wer sie ggf. schaf­fen könn­te. Es wird gemein­sam mit den Ange­hö­ri­gen der Orga­ni­sa­ti­on nach Ant­wor­ten gesucht. Die­se Art der Bera­tung ist eher eine Form der Beglei­tung und kommt vor allem in beson­ders kom­ple­xen Lagen in Fra­ge. (Das Modell der drei Bera­ter­rol­len Spe­zia­lis­t/­Arzt-Pati­en­t/­Pro­zess­be­glei­tung stammt ursprüng­lich von Edgar Schein. Eine sehr kur­ze Zusam­men­fas­sung des Modells kann man hier nachlesen.)

Ein Bei­spiel: Stel­len Sie sich eine Fabrik vor, in der ca. 150 Men­schen arbei­ten, die im Manu­fak­tur­prin­zip Klein­se­ri­en kom­ple­xer elek­tro­ni­scher Steu­er­ge­rä­te her­stel­len. In so einer Fabrik kann es vor­kom­men, dass die Abtei­lung für Entwicklung/Spezifikation nicht alle Infor­ma­tio­nen so auf­be­rei­tet, dass alle Mit­ar­bei­ter, die an der Arbeits­vor­be­rei­tung und der Pro­duk­ti­on betei­ligt sind, gut infor­miert sind. Es kön­nen also Pro­ble­me beim Infor­ma­ti­ons­fluss oder auch Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me auf­tre­ten. Um die­se zu lösen, kön­nen ent­lang der „Schnitt­stel­len“ zwi­schen den betref­fen­den Arbeits­be­rei­chen Work­shops abge­hal­ten wer­den. Dabei wird geklärt, wel­che Infor­ma­tio­nen benö­tigt wer­den, wer wel­che Infor­ma­tio­nen bereit­stel­len kann und an wel­chen Stel­len die­se Infor­ma­tio­nen in wel­cher Qua­li­tät gebraucht wer­den. Wer­den die­se Work­shops regel­mä­ßig durch­ge­führt, wird dar­aus ein kon­ti­nu­ier­li­cher Ver­bes­se­rungs­pro­zess, in des­sen Rah­men die Kom­mu­ni­ka­ti­on und Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be so lan­ge opti­miert wird, bis die Orga­ni­sa­ti­on (a) opti­ma­ler funk­tio­niert und sich (b) im Fal­le ähn­li­cher Pro­ble­me in Zukunft selbst hel­fen kann, weil die Betei­lig­ten nun gewohnt sind, im Pro­blem­fall auf­ein­an­der zuzu­ge­hen und gemein­sam nach Lösun­gen zu suchen. In sol­chen Fäl­len ist anfangs oft nicht ganz klar, was eigent­lich das Pro­blem ist bzw. was die Lösung sein könn­te. Hier erfol­gen Ana­ly­se und Lösungs­ent­wick­lung eher schritt­wei­se und kon­ti­nu­ier­lich — qua­si als „Pro­zess­be­glei­tung“.

Nach­dem die Rol­le der Pro­zess­be­glei­tung anhand eines Bei­spiels ver­deut­licht wur­de, sol­len ergän­zend anhand eines wei­te­ren Bei­spiels die Unter­schie­de zwi­schen der Rol­le von „Spe­zia­lis­ten“ oder „Ärz­ten“ auf der einen und „Pro­zess­be­glei­tern“ auf der ande­ren Sei­te dar­ge­stellt werden:

Stel­len wir uns vor, es han­delt sich um eine Orga­ni­sa­ti­on, die bereits gut funk­tio­niert. Und stel­len wir uns vor, dass sich die Lei­tung der Orga­ni­sa­ti­on trotz ins­ge­samt guten Erfolgs fragt, wie sich Effi­zi­enz und Leis­tungs­fä­hig­keit in den nächs­ten Jah­ren auf­recht­erhal­ten oder gar stei­gern las­sen. Hier kön­nen ver­schie­de­ne Arten von Bera­tern ins Spiel kommen.

Bera­ter als Spe­zia­lis­ten oder Ärz­te mit Bran­chen­kom­pe­tenz: Wenn die betref­fen­de Orga­ni­sa­ti­on in einer Bran­che tätig ist, die bereits gut erforscht ist und ver­gleich­ba­re Lösun­gen in ande­ren Unter­neh­men erfolg­reich ein­ge­setzt wur­den, könn­ten Bera­ter als Exper­ten fun­gie­ren. Sol­che Spe­zia­lis­ten bie­ten mehr oder min­der stan­dar­di­sier­te Model­le an, die auf Erfah­run­gen ande­rer und auf bewähr­ten Metho­den basie­ren. Bei­spiels­wei­se könn­ten sie Vor­schlä­ge für Mar­ke­ting­maß­nah­men machen, die sich anders­wo bewährt haben — unter der Vor­aus­set­zung, dass sich die Markt­be­din­gun­gen ähneln oder die Unter­schie­de zwi­schen den Märk­ten hin­rei­chend ana­ly­siert wur­den. Wenn sich die Erfolgs­re­zep­te direkt über­tra­gen las­sen, han­delt es sich um rei­nes Spe­zia­lis­ten­tum; sind zunächst umfang­rei­che­re Ana­ly­sen und Ver­glei­che not­wen­dig, agie­ren die Bera­ter eher wie Ärz­te, die eine genaue Dia­gno­se stel­len und eine maß­ge­schnei­der­te Rezep­tur anbie­ten, die sich einer­seits bereits bewährt hat, ande­rer­seits aber eben an die kon­kre­te Lage ange­passt wurde.

Bera­ter als Beglei­ter: In Fäl­len, in denen die Orga­ni­sa­ti­on nicht auf „Blau­pau­sen“ zurück­grei­fen kann, weil die Bran­che sehr klein oder der Markt unwäg­bar oder die Lage hoch­gra­dig kom­plex ist, könn­ten Bera­ter als Beglei­ter agie­ren. Bei­spiels­wei­se geht es bei stra­te­gi­schen Wei­ter­ent­wick­lun­gen oft um sehr spe­zi­fi­sche Fra­gen, die nicht mit vor­ge­fer­tig­ten Lösun­gen beant­wor­tet wer­den kön­nen. Hier ist womög­lich ein Pro­zess­be­glei­ter gefragt, der gemein­sam mit der Orga­ni­sa­ti­on auf eine Rei­se geht. Die Bera­ter arbei­ten eng mit der Orga­ni­sa­ti­on zusam­men, um maß­ge­schnei­der­te Lösun­gen zu fin­den. Sie hel­fen bei der Iden­ti­fi­ka­ti­on neu­er The­men, Pro­jek­te usw., die für die Orga­ni­sa­ti­on wich­tig sind. Dabei geht es dar­um, eine ver­trau­ens­vol­le Part­ner­schaft auf­zu­bau­en und die Orga­ni­sa­ti­on bei der Ent­wick­lung ihrer eige­nen Lösun­gen zu unterstützen.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Jörg Heidig, Jahrgang 1974, nach Abitur und Berufsausbildung in der Arbeit mit Flüchtlingen zunächst in Deutschland und anschließend für mehrere Jahre in Bosnien-Herzegowina tätig, danach Studium der Kommunikationspsychologie, anschließend Projektleiter bei der Internationalen Bauausstellung in Großräschen, seither als beratender Organisationspsychologe, Coach und Supervisor für pädagogische Einrichtungen, soziale Organisationen, Behörden und mittelständische Unternehmen tätig. 2010 Gründung des Beraternetzwerkes Prozesspsychologen. Lehraufträge an der Hochschule der Sächsischen Polizei, der Dresden International University, der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz.