In der vergangenen Woche war ich zu Gast in zwei verschiedenen Feuerwehren. Die Ausgangslagen waren ähnlich (zerstrittene Wehrleitungen), und meine Vorgehensweise war in beiden Fällen gleich: Einzelgespräche mit allen Beteiligten und danach Durchführung einer Aussprache mit allen Beteiligten. Zu Beginn der Aussprache habe ich jeweils meine Analyse der Situation präsentiert. In beiden Fällen haben alle Anwesenden meiner Analyse zugestimmt. In dem einen Fall kam es trotz starker Eskalationen im Vorfeld schnell zu einer Einigung und man ging an dem Abend recht locker und optimistisch auseinander. In dem anderen Fall war man sich einig, dass man nicht mehr miteinander arbeiten könne, und so konnte ich nur empfehlen, die Wehrleitung neu zu wählen.
Das Paradoxe dabei: In der letzteren Wehrleitung war es um deutlich geringfügigere Dinge gegangen — man konnte sich aber nicht mehr vorstellen, dass man in der gegebenen Personenkonstellation noch einmal konstruktiv miteinander arbeiten könnte. In der erstgenannten Wehr hatte es deutlich heftigere Eskalationen gegeben — es hatte regelrecht „geblitzt“ zwischen den Beteiligten — aber man konnte sich viel schneller einigen, weil alle Beteiligten bereit waren, sich auch weiterhin gemeinsam für die Organisation zu engagieren.
Was war der Unterschied? Über diese Frage habe ich lange nachgedacht, und obwohl die Antwort recht einfach ist, bin ich zunächst nicht drauf gekommen. Klar wurde mir die Sache erst, als ich in dieser Woche im letzten Termin einer Teamentwicklung saß und feststellte, dass die Anwesenden sagten, es sei zwar „ruhiger“ und irgendwie auch „besser“ geworden als vorher, aber man vermisse die alten Zeiten, man sei deutlich zurückhaltender, die Stimmung sei nicht schlecht, aber verhaltener, die Zusammenarbeit funktioniere, aber man frage sich, ob es jemals wieder so werden könne, wie es einmal gewesen sei — man könne jeden alles fragen, man helfe sich gegenseitig, es klappe alles, aber früher, vor der Eskalation, sei alles irgendwie offener und leichter und freudvoller gewesen.
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Über die Frage, was bei einer Intervention herauskommt, entscheidet nicht so sehr die Intensität des Problems, sondern vielmehr der Zeitpunkt, wann man sich entscheidet, etwas zu tun, eine Aussprache durchzuführen, sich Hilfe von außen zu holen.
Die Wehrleitung mit dem kleineren Problem, aber den starken Zweifeln, ob man noch einmal gut zusammenarbeiten könnte, hatte eine etwa fünfzehnmonatige Geschichte aus Missverständnissen, Zuspitzungen, gescheiterten Ausspracheversuchen, Durchhalteparolen, gegenseitigen Forderungen, erneuten Konfliktdynamiken, ignorierten Gesprächsangeboten usw. hinter sich. Am Ende herrschten Schweigen und Formalismus. Im Prinzip hatten Bürgermeister und Verwaltung die wichtigsten Dinge übernommen und für einige Monate eine gewisse „Ersatzkommunikation“ aufrechterhalten.
Die Wehrleitung mit dem heftigeren Problem hatte hingegen recht schnell nach Hilfe gesucht. Die Eskalation war erst wenige Wochen her, der Staub hatte sich etwas gelegt, aber es waren noch keine formalen Konsequenzen oder Schritte eingeleitet worden. Die Sache hatte sich zwar über einige Monate aufgeschaukelt und war dann zu der letztendlichen Eskalation geführt. Die Beteiligten hatten nach der Eskalation auch klare Positionen und Forderungen, aber es hatte sich noch niemand auf der eigenen Position eingegraben. Die Frage, ob man weiter gemeinsam an der Zukunft der Wehr arbeiten wolle, bejahten letztlich alle.
Langer Rede kurzer Sinn: Zeitiges Intervenieren durch eine neutrale, analytische und moderierende Perspektive von außen ist hilfreicher/erfolgversprechender als damit zu lange zu warten oder die Sache gar aussitzen zu wollen.
PS: Wenn eine Freiwillige Feuerwehr in Sachsen Hilfe bei Problemen mit dem „menschlichen Faktor“ braucht, kann sie sich an den Landesfeuerwehrverband in Dresden, genauer an das Projekt „Aspekt 112“ wenden. Es gibt dort ein Beraterteam aus Kameradinnen und Kameraden, die über eine entsprechende Weiterbildung verfügen und eine Wehr beratend und moderierend begleiten können. Probleme mit dem „menschlichen Faktor“ können bspw. sein:
- Zerstrittene Wehrleitung
- Konflikte zwischen Wehr und Verwaltung und/oder Bürgermeister
- Drohender Verlust des Zusammenhalts durch zu starke Grüppchenbildung
- Eskalationen/Konflikte im Zuge einer neuen Bedarfsplanung
Sie können natürlich auch direkt den Feuerwehrcoach rufen. 😉
PPS: Das Beitragsbild wurde mit Hilfe künstlicher Intelligenz generiert.