Manipulation enttarnen und abwehren: Wie wir uns vor Manipulationsstrategien schützen können

Die bes­ten Mit­tel gegen Mani­pu­la­ti­on sind Skep­sis und eine gute Intui­ti­on. Indem man nicht zu ver­trau­ens­se­lig ist und sich nicht all­zu bereit­wil­lig auf eine „zu schö­ne“ Ver­si­on der Din­ge ein­lässt, bleibt man offen für wei­te­re (ande­re, abwei­chen­de) Infor­ma­tio­nen und bleibt man fähig, die prä­sen­tier­te Ver­si­on der Rea­li­tät zu hin­ter­fra­gen. Mani­pu­la­ti­on kann in vie­len For­men und Kon­tex­ten auf­tre­ten. Indem man sich bewusst macht, wie Mani­pu­la­ti­on funk­tio­niert, kann man sich bes­ser davor schüt­zen. In här­te­ren Fäl­len soll­te man sich nicht davor scheu­en, exter­ne Hil­fe in Anspruch zu neh­men, um sich aus sol­chen Situa­tio­nen zu befreien.

Worum es in diesem Text geht

Mensch­li­che Hand­lun­gen wer­den viel weni­ger von (ratio­na­len) Gedan­ken bestimmt, als sich die meis­ten Men­schen ein­ge­ste­hen wol­len. Eben weil Men­schen Emo­tio­nen haben, sind sie anfäl­lig für die Beein­flus­sung durch ande­re. Mani­pu­la­ti­ons­tech­ni­ken kön­nen von ein­fa­chen Täu­schun­gen bis hin zu kom­ple­xen Stra­te­gien rei­chen, die dar­auf abzie­len, unse­re Gedan­ken, Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen zu beeinflussen.

Die Fähig­keit, Mani­pu­la­ti­ons­tech­ni­ken zu erken­nen und ihnen zu wider­ste­hen, kann von ent­schei­den­der Bedeu­tung sein. Mani­pu­la­ti­ons­ver­su­che bestehen zumeist dar­in, ande­re dazu zu brin­gen, Din­ge zu tun, die sie ggf. nicht wol­len oder in ande­ren nega­ti­ve Gefüh­le (bspw. Schuld- oder Scham­ge­füh­le) aus­zu­lö­sen, um dadurch ihre Hand­lun­gen zu beeinflussen.

Ins­be­son­de­re Men­schen mit stark nar­ziss­ti­schen Zügen kön­nen hier­bei sehr geschickt sein, etwa indem sie eine Kom­bi­na­ti­on aus love bom­bing (beson­ders häu­fi­ge oder/und über­trie­be­ne Kom­pli­men­te) und Schuld­zu­wei­sun­gen anwen­den, um ihre Opfer in Abhän­gig­keit zu hal­ten. Sie erzeu­gen zunächst eine über­wäl­ti­gen­de Wel­le von Kom­pli­men­ten und Auf­merk­sam­keit, um das Ver­trau­en und die Zunei­gung ihres Gegen­übers zu gewin­nen, bevor sie dann plötz­lich die Schuld für alles, was schief­geht, auf ihr Gegen­über schieben.

Ande­re Tech­ni­ken bestehen dar­in, Dro­hun­gen aus­zu­spre­chen (bspw. droht man etwa mit Bezie­hungs­ab­bruch) oder das Gegen­über weit­ge­hend zu iso­lie­ren (bspw. durch Eifer­sucht). Fin­det man sich in einer sol­chen Situa­ti­on wie­der, soll­ten min­des­tens Gren­zen klar und deut­lich auf­ge­zeigt wer­den. Manch­mal ist es aber bes­ser, sich der Situa­ti­on zu ent­zie­hen, um sich selbst zu schützen.

Nicht zuletzt sind Lügen ein wich­ti­ger Indi­ka­tor für Mani­pu­la­ti­on. Wenn sich jemand immer wie­der in Wider­sprü­che ver­strickt oder sei­ne Geschich­te ver­än­dert, kann man das kri­tisch hin­ter­fra­gen, um sich nicht mani­pu­lie­ren zu lassen.

Die­ser Text befasst sich mit eini­gen der häu­figs­ten Mani­pu­la­ti­ons­tech­ni­ken sowie der Fra­ge, wie man sich davor schüt­zen kann. Es geht dar­um, sich auf die eige­ne Intui­ti­on zu ver­las­sen, um Mani­pu­la­ti­ons­ver­su­che zu erken­nen und Gren­zen zu setzen.

Beschönigung und Love Bombing

Eine eben­so häu­fi­ge wie wirk­sa­me Tech­nik ist die Beschö­ni­gung. Gegen Inter­es­se und Kom­pli­men­te kann man sich kaum weh­ren: Wer hört nicht gern, dass man einen schätzt oder sogar mag? Und wer ver­spürt nicht gern Inter­es­se an der eige­nen Per­son? Doch Vorsicht…

Natür­lich ist Mani­pu­la­ti­on alles ande­re als zwangs­läu­fig. Und was wür­de gesche­hen, wenn wir ande­ren Men­schen mit einer Art „gene­rel­ler Mani­pu­la­ti­ons­un­ter­stel­lung“ begeg­nen wür­den? Es geht nicht dar­um, eine grund­le­gen­de Wach­sam­keit zu ent­wi­ckeln, son­dern eher die Intui­ti­on zu schu­len: Ins­be­son­de­re dann, wenn etwas zu viel wird, sich über­trie­ben anfühlt, oder wenn das Mus­ter schnell wech­selt, han­delt es sich mög­li­cher­wei­se um eine Falle.

Mani­pu­la­ti­ve Men­schen kön­nen ver­su­chen, uns durch Beschö­ni­gung oder Love Bom­bing zu beein­flus­sen, etwa indem sie uns mit Kom­pli­men­ten über­schüt­ten und uns das Gefühl geben, etwas Beson­de­res zu sein. Dies kann schnell zu einer Bin­dung füh­ren. Wenn man Inter­es­se spürt, öff­net man sich, aus der Offen­heit erwächst Ver­trau­en. Zunächst ist die Bin­dung „nur“ emo­tio­nal (bspw. als Begeis­te­rung). Spä­ter wird dar­aus ein Ver­pflich­tungs­ge­fühl, wel­ches die mani­pu­lie­ren­de Per­son aus­nut­zen kann.

Es ist wich­tig zu erken­nen, wenn Kom­pli­men­te über­trie­ben oder unrea­lis­tisch sind, und zu beden­ken, dass nie­mand per­fekt ist. Man kann Kom­pli­men­te anneh­men, aber man soll­te sich nicht von ihnen blen­den lassen.

Täuschung und Lügen

Gut getarn­te Täu­schun­gen sind noch kei­ne Lügen, son­dern ent­ste­hen durch Aus­las­sung oder ande­re leich­te „Ver­zer­run­gen“. Täu­schun­gen kön­nen sehr sub­til sein und sind oft schwer zu erken­nen. Das ein­fachs­te und viel­leicht am häu­figs­ten genutz­te Mus­ter der Täu­schung kann man sich so vor­stel­len: Da wird eine Geschich­te etwas anders erzählt, als sie statt­ge­fun­den hat, und sie wird so erzählt, dass das Gegen­über sub­til in eine bestimm­te Rich­tung geführt wird – etwa einen Sach­ver­halt anders bewer­tet oder nach dem häu­fi­gen Hören der Geschich­te lang­sam aber sicher bereit ist, etwas Bestimm­tes zu tun.

Zur Täu­schung gehört jedoch auch die Ent-Täu­schung, das heißt die Erkennt­nis, dass man sich getäuscht hat. Es gibt Men­schen, die sich immer wie­der bereit­wil­lig täu­schen las­sen, oft aus dem Grund, weil einer Täu­schung zu ver­fal­len ein­fa­cher ist, als sich mit der Rea­li­tät aus­ein­an­der­zu­set­zen. Aber frü­her oder spä­ter wird die Täu­schung auf­flie­gen, weil sich jemand nicht (mehr) täu­schen las­sen wollte.

Der bes­te Weg, sich vor Täu­schun­gen zu schüt­zen, ist, sich zu fra­gen, ob ggf. etwas „zu schön“ klingt und dies dann zu hin­ter­fra­gen. Wenn etwas „zu schön“ klingt, ist das mög­li­cher­wei­se auch so. Eine gewis­se Skep­sis führt zu der Bereit­schaft, nicht nur nach­zu­fra­gen oder zu hin­ter­fra­gen, son­dern dies ggf. auch mehr­fach zu tun. Wenn dadurch deut­lich wird, dass die Wahr­heit „irgend­wie rela­tiv“ ist, soll­te man umso mehr nachfragen.

Eine gewis­ser­ma­ßen gestei­ger­te Form der Täu­schung ist die Lüge. Der Über­gang von der Täu­schung zur Lüge ist flie­ßend. Das bes­te Mit­tel gegen Lügen ist die Suche nach Fak­ten und Bewei­sen. Hier reicht es nicht aus, nur skep­tisch zu blei­ben und wie­der­holt zu hin­ter­fra­gen (wie bei der Täu­schung), son­dern sich in eine gewis­se Distanz zu bege­ben und (manch­mal auch heim­lich, gewis­ser­ma­ßen „stra­te­gisch“) nach Bewei­sen zu suchen. Das hat natür­lich Fol­gen für das Ver­trau­en. Aber wenn tat­säch­lich gelo­gen wird, ist es mit dem Ver­trau­en frü­her oder spä­ter ohne­hin vor­bei. Des­halb ist es, bevor das Ver­trau­en zer­bricht, durch­aus das Risi­ko wert, die­se gewis­se „stra­te­gi­sche Distanz“ ein­zu­ge­hen, die für die Suche nach Bewei­sen not­wen­dig ist. Im Grun­de genom­men zwingt die Lüge zur Über­tre­tung der Gren­ze von der ech­ten, authen­ti­schen hin zur distan­zier­ten, irgend­wie „stra­te­gi­schen“ Kom­mu­ni­ka­ti­on, die auch von Heim­lich­kei­ten gekenn­zeich­net sein kann.

Drohungen und Isolation

Wäh­rend man Beschö­ni­gun­gen oder auch Täu­schun­gen in vie­len Fäl­len noch als unbe­wuss­te und damit auch unbe­ab­sich­tig­te Hand­lun­gen ent­schul­di­gen kann, wird spä­tes­tens mit (mehr oder weni­ger bewuss­ten) Lügen eine Gren­ze über­schrit­ten. Voll­ends grenz­über­schrei­tend han­deln Men­schen, wenn sie Dro­hun­gen und Iso­la­ti­on ein­set­zen, um ihr Gegen­über dazu zu brin­gen, ihre Wün­sche zu erfül­len. Natür­lich kann auch das mehr oder weni­ger bewusst gesche­hen – die Fol­gen jedoch sind der­ge­stalt, dass man sich min­des­tens weh­ren oder aber sich der Situa­ti­on (wenn nicht gleich der gan­zen Bezie­hung) ent­zie­hen sollte.

Bei­spiel für Dro­hun­gen: Man­che Men­schen stel­len in eska­lie­ren­den Situa­tio­nen die Grund­la­ge der jewei­li­gen Bezie­hung (Arbeits­be­zie­hung oder Part­ner­schaft) in Fra­ge – und dro­hen im Fal­le wei­te­rer Eska­la­ti­on mit dem Abbruch der Bezie­hung. War die Bezie­hung bis­her von Ver­trau­en geprägt, ist die­se „Tech­nik“ durch­aus wir­kungs­voll. Das jewei­li­ge Gegen­über wird in der Regel zunächst (im Ver­trau­en) ver­su­chen, den Bezie­hungs­ab­bruch zu ver­mei­den – und also ggf. tun, was die mani­pu­lie­ren­de Sei­te ver­langt. Wird die­se Tech­nik öfter ver­wen­det, führt dies mit der Zeit zu dem vie­le Bezie­hun­gen zer­rüt­ten­den Mus­ter aus Kri­tik und Recht­fer­ti­gung, das bei zuneh­men­der Inten­si­tät zu einem Mus­ter aus Kri­tik und Gegen­an­griff wer­den kann, aus dem dann wie­der­um ein Mus­ter aus Kri­tik und Infra­ge­stel­len der Bezie­hung und schließ­lich zu einem Schlag­ab­tausch aus gegen­sei­ti­gen Infra­ge­stel­lun­gen und Dro­hun­gen wer­den kann. Man kann eine ver­trau­ens­vol­le Bezie­hung sicher eini­ge Male (im Affekt) infra­ge stel­len, wenn man aber zu oft mit Abbruch gedroht hat, ist der Abbruch irgend­wann auch die Kon­se­quenz – weil das Gegen­über die Dro­hun­gen irgend­wann nur noch mit dem einen Satz beant­wor­ten kann: „Dann mach doch.“

Bei­spiel für Iso­la­ti­on: Im Ver­gleich zur Dro­hung han­delt es sich bei der Iso­la­ti­on um eine sub­ti­le­re, schwe­rer zu erken­nen­de, aber eben­so wirk­sa­me Tech­nik. Bei­spiel Eifer­sucht: Am Anfang ste­hen frei­lich Lie­bes­er­klä­run­gen. Aber bald fol­gen Hin­ter­fra­gun­gen – oder gar heim­li­che Ermitt­lun­gen, etwa indem man das Han­dy des Gegen­übers aus­spio­niert. Schmerz­li­che Fra­gen fol­gen. Das Gegen­über ver­sucht, sich zu erklä­ren, wird unsi­che­rer, recht­fer­tigt sich wei­ter. Die Fra­gen hören nicht auf. Das Gegen­über redu­ziert Kon­tak­te. Die Fra­gen las­sen für eine Wei­le nach. Man ver­bringt mehr Zeit mit­ein­an­der. Das Gegen­über ist aber auch öfter allein. Dann neh­men die Fra­gen wie­der zu – und so wei­ter. War die Kon­takt­re­duk­ti­on des Gegen­übers zunächst ein Sicher­heits­reiz für die mani­pu­lie­ren­de Sei­te, wird sie zuneh­mend zur Iso­la­ti­on für das Gegen­über. Die­se Iso­la­ti­on beginnt oft unmerk­lich, mün­det aber in die Kon­trol­le der mani­pu­lie­ren­den Sei­te über ihr Gegen­über. Ähn­lich wie bei Lügen und Dro­hun­gen ist der ggf. vor­han­de­ne Umstand der Unbe­wußt­heit auf Dau­er kei­ne Ent­schul­di­gung – eben weil die Wir­kung auf län­ge­re Sicht ver­hee­rend sein kann. Spä­tes­tens dann, wenn sich das Gegen­über ver­ängs­tigt und hilf­los fühlt und sich umso mehr auf die mani­pu­lie­ren­de Sei­te ver­lässt, soll­ten die Alarm­glo­cken schril­len. Wenn sich Men­schen von ihren jeweils eige­nen Ver­trau­ens- und Unter­stüt­zungs­per­so­nen iso­liert füh­len, wird es Zeit, sich exter­ne Hil­fe zu suchen, um aus die­ser Situa­ti­on herauszukommen.

Narzisstische Manipulationstechniken

Vor­ab: Mit dem Begriff „Nar­ziss­mus“ muss vor­sich­tig umge­gan­gen wer­den. Ers­tens wird er (ähn­lich wie „toxi­sche Bezie­hung“) der­zeit infla­tio­när ver­wen­det, und zwar dann, wenn er durch­aus zutrifft, aber auch dann, wenn er nicht zutrifft. In letz­te­rem Fall (wenn er nicht zutrifft) wird der Begriff zwei­tens mit­un­ter „stra­te­gisch“ benutzt, d.h. ver­wen­det, um mit der Wir­kung des Begrif­fes bestimm­te Zie­le zu errei­chen. Drit­tens ist die Dia­gno­se man­cher Psy­cho­ana­ly­ti­ker nicht von der Hand zu wei­sen, die mei­nen, dass die Men­schen unse­res Zeit­al­ters durch die fort­ge­schrit­te­ne Indi­vi­dua­li­sie­rung ins­ge­samt nar­ziss­ti­scher gewor­den sind.

Men­schen mit aus­ge­präg­ten nar­ziss­ti­schen Zügen kön­nen spe­zi­el­le Mani­pu­la­ti­ons­tech­ni­ken ein­set­zen, die dar­auf abzie­len, Men­schen in Abhän­gig­keit zu hal­ten. Eine häu­fi­ge Tech­nik ist der Wech­sel zwi­schen Love Bom­bing und Schuld­zu­wei­sun­gen. In der Anfangs­pha­se wird das Gegen­über mit Auf­merk­sam­keit und Lob (im Bezie­hungs­fall: mit Lie­be) über­schüt­tet. Sobald sich die mani­pu­lie­ren­de Per­son der Loya­li­tät ihres Gegen­übers sicher ist, wird sie anfan­gen, ihr Gegen­über zu kri­ti­sie­ren und ihm oder ihr die Schuld an sei­nen Pro­ble­men zu geben.

Um sol­che Mus­ter zu erken­nen, muss man auf den Wech­sel zwi­schen über­trie­be­ner Zunei­gung und Kri­tik ach­ten und ler­nen, die eige­nen Bedürf­nis­se zu erken­nen und zu verteidigen.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Jörg Heidig, Jahrgang 1974, nach Abitur und Berufsausbildung in der Arbeit mit Flüchtlingen zunächst in Deutschland und anschließend für mehrere Jahre in Bosnien-Herzegowina tätig, danach Studium der Kommunikationspsychologie, anschließend Projektleiter bei der Internationalen Bauausstellung in Großräschen, seither als beratender Organisationspsychologe, Coach und Supervisor für pädagogische Einrichtungen, soziale Organisationen, Behörden und mittelständische Unternehmen tätig. 2010 Gründung des Beraternetzwerkes Prozesspsychologen. Lehraufträge an der Hochschule der Sächsischen Polizei, der Dresden International University, der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz.