Organisationsentwicklung

In die­sem Text geht es um theo­re­ti­sche Grund­la­gen und Metho­den der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung. Im Text wur­den zwei ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven mit­ein­an­der ver­wo­ben. Zum einen wer­den die wesent­li­chen Grund­la­gen der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung auf der Basis drei­er ein­schlä­gi­ger Lehr­bü­cher (Ner­din­ger et al. 2008; Kals 2006; von Rosen­stiel et al. 1995, 2001) dar­ge­stellt. Zum ande­ren wer­den die­se aus der Per­spek­ti­ve unse­rer Pra­xis­er­fah­run­gen reflek­tiert und ergänzt. So soll dem Umstand Rech­nung getra­gen wer­den, dass zum Erler­nen von Metho­den einer­seits theo­re­ti­sche Über­sicht und metho­di­sche Sys­te­ma­tik von­nö­ten sind, das Phä­no­men Orga­ni­sa­ti­on ande­rer­seits aber so kom­plex ist, dass sich kaum ein Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­pro­jekt in sei­ner prak­ti­schen Umset­zung an die Theo­rie hält, son­dern dass in der Pra­xis mit­un­ter sogar das Expe­ri­men­tie­ren über­wiegt, wie bspw. auch Kals (2006, S. 52) fest­stellt.

Was ist Organisationsentwicklung?

Unter Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung wird eine wis­sen­schaft­lich fun­dier­te, sys­te­ma­ti­sche Form orga­ni­sa­tio­na­len Wan­dels ver­stan­den. Ziel ist die Siche­rung der Effek­ti­vi­tät der Abläu­fe in einer Orga­ni­sa­ti­on bzw. die Ver­bes­se­rung der Anpassungs‑, Lern- und Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit der Orga­ni­sa­ti­on unter sich ver­än­dern­den Umwelt­be­din­gun­gen (vgl. Kals, 2006, S. 48). Bei der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung han­delt es sich um die „bekann­tes­te und nach wie vor wich­tigs­te“ (Ner­din­ger et al. 2008, S. 160) Form geplan­ter Organisationsveränderungen.

Unter dem Begriff der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung (OE) kön­nen Erkennt­nis­se und Ver­fah­ren ver­stan­den wer­den, die zum Ziel haben, die Wand­lungs­pro­zes­se einer Orga­ni­sa­ti­on und ihrer Tei­le sys­te­ma­tisch und umfas­send zu ver­ste­hen und zu gestal­ten. Der Ablauf von Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lun­gen folgt dem Lewin­schen Drei­schritt Auf­tau­en, Ver­än­dern, Sta­bi­li­sie­ren (Lewin 1947).

Vier Grund­an­nah­men der Organisationsentwicklung:

  1. Grund­sätz­lich ist jeder Mensch lern- und ent­wick­lungs­fä­hig. Ver­hal­tens­wei­sen sind erlernt und kön­nen ver­än­dert werden.
  2. Bestehen­de per­so­na­le und struk­tu­ra­le (Lern-) Unfä­hig­kei­ten, Wider­stän­de und Bar­rie­ren kön­nen nur durch plan­mä­ßi­ge Inter­ven­ti­on von außen ver­än­dert bzw. über­wun­den werden.
  3. Die Effek­ti­vi­tät einer Orga­ni­sa­ti­on bzw. das Stre­ben nach Opti­mie­rung eines Unter­neh­mens einer­seits und die Berück­sich­ti­gung der Inter­es­sen von Arbeit­neh­mern schlie­ßen sich nicht gegen­sei­tig aus. Auch wenn das von vie­len Akteu­ren in Unter­neh­men häu­fig anders gese­hen wird. Viel­mehr ste­hen sie in einem gegen­sei­ti­gen Abhän­gig­keits­ver­hält­nis bzw. bedin­gen sich gegenseitig.
  4. Schrit­te zur Ver­än­de­rung und Ent­wick­lung des Unter­neh­mens bzw. der Orga­ni­sa­ti­on haben dann die größ­ten Chan­cen auf Erfolg, wenn die Wün­sche und Hoff­nun­gen der Betei­lig­ten ein­be­zo­gen werden.

Es ist wich­tig, Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung von Chan­ge Manage­ment zu unter­schei­den. In einer Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung wer­den die Ver­än­de­run­gen unter Betei­li­gung der betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ter geplant und umge­setzt. Hin­ge­gen wird Chan­ge Manage­ment eher als Teil des stra­te­gi­schen Manage­ments ange­se­hen. Chan­ge-Manage­ment-Kon­zep­te wer­den eher von exter­nen Bera­tern als Gan­zes an ein Unter­neh­men ver­kauft bzw. dort umge­setzt. Bekann­te Bei­spie­le sol­cher Chan­ge-Manage­ment-Kon­zep­tio­nen sind Total Qua­li­ty Manage­ment, Lean Manage­ment oder Busi­ness Reen­gi­nee­ring. Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung setzt hin­ge­gen an der Ent­wick­lungs- und Anpas­sungs­fä­hig­keit der Orga­ni­sa­ti­on selbst an und betei­ligt die Mit­ar­bei­ter als „Exper­ten in eige­ner Angelegenheit“.

Wie ist der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­an­satz entstanden?

Im vor­an­ge­gan­ge­nen Bei­trag zu die­ser Vor­le­sungs­rei­he wur­de die Geschich­te des Den­kens über Orga­ni­sa­tio­nen grob zusam­men­ge­fasst dar­ge­stellt. Es wur­de deut­lich, dass sich das (wis­sen­schaft­li­che) Den­ken einer­seits immer mehr an die Rea­li­tät von Orga­ni­sa­tio­nen annä­hert, ande­rer­seits aber auch dem Zeit­geist unter­liegt, indem die jeweils eine Zeit prä­gen­den Men­schen­bil­der auch das Den­ken über Orga­ni­sa­tio­nen beein­flus­sen und umgekehrt.

Um die Ent­ste­hung des Ansat­zes nach­zu­voll­zie­hen ist wich­tig, fol­gen­de Ent­wick­lungs­li­ni­en grob nachzuzeichnen:

Begin­nend in den zwan­zi­ger und drei­ßi­ger Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts mehr­ten sich Zwei­fel an der Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on tay­lo­ris­ti­scher Aus­rich­tung. Man begann, den Men­schen nicht nur als von mate­ri­el­len Inter­es­sen gelei­tet zu ver­ste­hen. Zunächst war man mehr oder min­der der Annah­me gewe­sen, der „Pro­duk­ti­ons­fak­tor Mensch“ lie­ße sich durch die rich­ti­ge Per­so­nal­aus­wahl und die rich­ti­ge Bezah­lung „opti­mie­ren“. Spä­ter gab es ver­schie­de­ne Ent­wick­lun­gen (bspw. Nach­wir­kun­gen der Hawt­hor­ne-Stu­di­en, Auf­kom­men des huma­nis­ti­schen Ansat­zes in der Psy­cho­lo­gie, Fokus­sie­rung auf die Bedürf­nis­se des Indi­vi­du­ums, Prä­gung von Begrif­fen wie Selbst­ver­wirk­li­chung), die zu einer Hin­wen­dung zum „Fak­tor Mensch an und für sich“ führ­ten. Das Indi­vi­du­um mit sei­nen Bezie­hun­gen zu ande­ren Men­schen geriet in den Fokus des Inter­es­ses; der „Human Rela­ti­ons Ansatz“ ent­stand. Im Zuge die­ser Ent­wick­lun­gen ent­stan­den in ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen Denk­mo­del­le und Metho­den, die das Indi­vi­du­um und sei­ne Ent­fal­tung bzw. die sozia­len Bezie­hun­gen zwi­schen Indi­vi­du­en zum Gegen­stand hat­ten. Nur eini­ge Bei­spie­le: Vik­tor Frankl ent­wi­ckel­te sei­ne auf den Sinn des Lebens fokus­sier­te Exis­tenz­ana­ly­se; Carl R. Rogers ent­wi­ckel­te die an der indi­vi­du­el­len Ent­fal­tung anset­zen­den Metho­den der Gesprächs­psy­cho­the­ra­pie; Abra­ham Maslow pos­tu­lier­te sei­ne Bedürf­nis­py­ra­mi­de; Wil­fred Bion in Eng­land und Kurt Lewin in Ame­ri­ka schrie­ben die ers­ten bahn­bre­chen­den Auf­sät­ze über Gruppen.

Ers­ter Hin­ter­grund der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung: Die T‑Gruppe und die Grund­prin­zi­pi­en der ange­wand­ten Gruppendynamik

Man begann, die ers­ten sys­te­ma­ti­schen Trai­nings­an­sät­ze zu erar­bei­ten, in denen Füh­rungs­kräf­te Bezie­hungs­er­fah­run­gen bzw. Erfah­run­gen in Grup­pen reflek­tie­ren konn­ten, um dar­aus zu ler­nen. Der bekann­tes­te die­ser Ansät­ze ist die so genann­te „T‑Gruppe“ (von: Trai­nings-Grup­pe) oder „Labo­ra­to­ri­ums­me­tho­de“ (auch als „GDL“ – Grup­pen­dy­na­mi­sches Labo­ra­to­ri­um“ oder als „Sen­si­ti­vi­ty Trai­ning“ bezeich­net. Kurt Lewin hat die­se Labo­ra­to­ri­ums­me­tho­de 1947 mit dem Ziel ent­wi­ckelt, „Men­schen die Mög­lich­keit zu geben, effek­ti­ver mit den kom­ple­xen mensch­li­chen Bezie­hun­gen und Pro­ble­men umzu­ge­hen“ (Ner­din­ger et al. 2008, S. 161).

Men­schen, die sich vor­her nicht ken­nen, wer­den für eine bestimm­te Zeit (zumeist meh­re­re Tage) Teil einer Grup­pe. Dabei gibt es kei­ne vor­ge­ge­be­nen The­men, son­dern die Grup­pe und die dar­in statt­fin­den­den Pro­zes­se sind das The­ma bzw. das „Lern­ma­te­ri­al“. Ziel ist es, dass die Teil­neh­mer zwi­schen­mensch­li­che bzw. grup­pen­dy­na­mi­sche Pro­zes­se (a) bes­ser ver­ste­hen und (b) bes­ser steu­ern ler­nen. Um eine opti­ma­le T‑Grup­pen-Situa­ti­on her­zu­stel­len, müs­sen eine Rei­he von Bedin­gun­gen und Wir­kungs­wei­sen beach­tet wer­den. Die­se Bedin­gun­gen haben spä­ter als Grund­prin­zi­pi­en der ange­wand­ten Grup­pen­dy­na­mik all­ge­mei­ne Aner­ken­nung gefun­den und sind grund­le­gend für das Ver­ständ­nis (beab­sich­tig­ter) Veränderungen.

Ers­tes Prin­zip: Auf­tau­en – Ver­än­dern – Stabilisieren

Nach Lewin (1947) fol­gen alle Ver­än­de­rungs­pro­zes­se in Grup­pen einem Mus­ter aus drei Schrit­ten: „Die­se – sehr plau­si­bel erschei­nen­de – Pha­sen­vor­stel­lung kann als ers­te Leit­li­nie dafür die­nen, wel­che Art von Akti­vi­tä­ten zu bestimm­ten Zeit­punk­ten eines Trai­nings­pro­zes­ses ange­bracht sind.“ (Rech­ti­en 1999, S. 161)

Auf­tau­en: Ziel die­ser ers­ten Pha­se („unfree­zing“) ist es, die bis­he­ri­gen Ver­hal­tens­mus­ter eines Teams bewusst zu machen. Typi­scher­wei­se wer­den Ver­hal­tens- und Bezie­hungs­mus­ter in bestehen­den Teams nicht (oder nicht mehr) hin­ter­fragt und wei­sen einen gewis­sen Grad an Ste­reo­ty­pi­sie­rung auf (vgl. Rech­ti­en 1999, S. 161). Gera­ten die Mit­glie­der eines Teams nun in eine unge­wohn­te oder/und unstruk­tu­rier­te Situa­ti­on, so wer­den die gewohn­ten Ver­hal­tens- und Bezie­hungs­mus­ter sehr schnell sicht­bar. Anfangs hat der Trai­ner die Auf­ga­be, die beob­ach­te­ten Ver­hal­tens­wei­sen der Grup­pen- bzw. Team­mit­glie­der anzu­spre­chen. Spä­ter über­neh­men dies zuneh­mend die Team­mit­glie­der selbst. Der Wirk­me­cha­nis­mus der Bewusst­wer­dung des eige­nen Ver­hal­tens bzw. der Bezie­hungs­mus­ter ist das Feedback.

Pra­xis­bei­spiel zur Pha­se des Auf­tau­ens: Der Team­all­tag in einer Kin­der­ta­ge­stät­te war von Kon­flik­ten und Riva­li­tä­ten unter den Erzie­he­rin­nen geprägt. Am Beginn der Team­ent­wick­lung befragt, waren sich alle Kol­le­gin­nen dar­über einig, dass es Pro­ble­me geben wür­de, deren Wur­zeln weit in der Ver­gan­gen­heit lie­gen wür­den. Das gegen­sei­ti­ge Ver­trau­en sei auf ein Mini­mum gesunken.

Ers­ter Schritt – Erwar­tun­gen: Nach ihren Erwar­tun­gen bezüg­lich der Team­ent­wick­lung befragt, nann­ten die Erzie­he­rin­nen Punk­te wie „wie­der Ver­trau­en haben“, „Pro­ble­me gleich anspre­chen und klä­ren“ und „end­lich wie­der in Ruhe arbeiten“.

Zwei­ter Schritt – Pro­blem­be­schrei­bung: Die Mit­glie­der des Teams wur­den gebe­ten, die Pro­ble­ma­tik des Teams anhand von Bei­spie­len zu beschrei­ben. Hier wur­den sehr schnell eini­ge ein­ge­fah­re­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­cha­nis­men sicht­bar. Ver­schie­de­ne – teil­wei­se meh­re­re Jah­re zurück­lie­gen­de – Ereig­nis­se waren als Angrif­fe ver­stan­den wor­den. Die Pro­ble­me waren nicht sofort ange­spro­chen wor­den, son­dern wur­den jeweils „gespei­chert“. Die­se Ver­hal­tens­wei­sen führ­ten mit der Zeit zu einer regel­rech­ten nega­ti­ven Erwar­tungs­hal­tung. Am Schluss reich­ten bereits bei­läu­fi­ge Anläs­se – ein­zel­ne Wor­te oder Ges­ten – aus, um die Emp­fin­dung eines Angrif­fes aus­zu­lö­sen. So habe eine Erzie­he­rin eines Mor­gens die Hand einer ande­ren Erzie­he­rin zu fest gedrückt. Eine ande­re Erzie­he­rin warf einer Kol­le­gin vor, sie in einem beson­ders wich­ti­gen Moment nicht ange­se­hen zu haben. Wäh­rend der Pro­blem­be­schrei­bung trat die­ser Mecha­nis­mus deut­lich zu Tage: Sobald eine Kol­le­gin ein Pro­blem beschrieb, reagier­te eine ande­re sehr defen­siv, indem sie sich recht­fer­tig­te. Das Team schien unter der Last ver­gan­ge­ner Ereig­nis­se regel­recht zu ersti­cken. Ent­spre­chend laut ging es wäh­rend der ers­ten Ter­mi­ne der Team­ent­wick­lung zu.

Drit­ter Schritt – Feed­back vom Trai­ner­team: Mit Hil­fe der Metho­de des Reflec­ting Team  gaben die bei­den Trai­ner den Team­mit­glie­dern Feed­back über die beob­ach­te­ten Ver­hal­tens­wei­sen. Ein drit­ter Stuhl stand bereit, um ein­zel­nen Team­mit­glie­dern zu ermög­li­chen, Fra­gen zu stel­len bzw. sich am Gespräch der Trai­ner zu beteiligen.

Vier­ter Schritt – Feed­back der Team­mit­glie­der unter­ein­an­der: Die Erzie­he­rin­nen wur­den gebe­ten, sich gegen­sei­tig mit­zu­tei­len, was sie (a) anein­an­der schät­zen und sich (b) von­ein­an­der wün­schen. Im Vor­feld die­ser Übung wur­den Feed­back-Regeln vereinbart.

Wider­stän­de in der Auf­tau­pha­se: Wider­stän­de gegen­über der The­ma­ti­sie­rung der Team­be­zie­hun­gen äußern sich häu­fig durch

  • Ableh­nung („Es kann ja sein, dass hier jemand Pro­ble­me sieht, aber das heißt nicht, dass das auch auf mich zutrifft.“),
  • Ratio­na­li­sie­rung („Wenn wir die Pro­ble­me sach­lich klä­ren, dann ist alles lös­bar. Jeder hat sei­ne Auf­ga­ben­be­rei­che und soll­te sich auch dar­an halten.“),
  • Her­un­ter­spie­len („Jetzt reißt Euch mal zusam­men. So schlimm ist es doch gar nicht.“) oder
  • gene­rel­le Beden­ken („Haben wir nichts wich­ti­ge­res zu tun? Drü­ben war­tet ein rie­si­ger Sta­pel Arbeit auf mich. Ich weiß über­haupt nicht, was ich hier soll und was das über­haupt bringt.“).

Wider­stän­de soll­ten in jedem Fall zuge­las­sen und the­ma­ti­siert wer­den. Nicht ein­be­zo­ge­ne Wider­stän­de füh­ren ansons­ten kurz­fris­tig zu Blo­cka­de­hal­tun­gen. Eine Team­ent­wick­lung, zu der die Betei­lig­ten von Vor­ge­setz­ten „ver­don­nert“ wur­den, läuft häu­fig nach dem Mus­ter „Dienst nach Vor­schrift“ ab und bringt nicht die gewünsch­ten Ergebnisse.

Ver­än­dern und Sta­bi­li­sie­ren: Ver­än­de­run­gen von Rol­len­mus­tern sind dann mög­lich, wenn Per­so­nen etwas über ihr Ver­hal­ten erfah­ren und die­ses anschlie­ßend reflek­tie­ren. Die Situa­ti­on, mit den Wahr­neh­mun­gen ande­rer vom eige­nen Ver­hal­ten kon­fron­tiert zu wer­den, ist an sich bereits unge­wöhn­lich und ver­un­si­chernd. Die Bewusst­wer­dung des eige­nen Ver­hal­tens schafft die Grund­la­ge für Ver­än­de­run­gen. Beim Feed­back sind ins­be­son­de­re zwei Din­ge wich­tig: Res­sour­cen­ori­en­tie­rung und kla­re Regeln. Gewünsch­te Ver­än­de­run­gen kön­nen bspw. im Rah­men von Feed­back-Übun­gen oder mode­rier­ten Grup­pen­dis­kus­sio­nen the­ma­ti­siert wer­den. Ist das Team dazu bereit, kön­nen neue Ver­hal­tens­wei­sen im Rah­men von Übun­gen aus­pro­biert wer­den. Aller­dings ist hier anzu­mer­ken, dass aus unse­rer Sicht die meis­ten Team­ent­wick­lungs­set­tings metho­disch nicht über die Auf­tau­pha­se hin­aus kom­men. Ver­hal­tens­wei­sen kön­nen inner­halb weni­ger Tage irri­tiert wer­den Durch Feed­back und ent­spre­chen­de Refle­xi­on kön­nen gewünsch­te Ver­än­de­run­gen ein­zeln oder in der Grup­pe defi­niert wer­den. Die Ver­än­de­run­gen selbst brau­chen jedoch Zeit. Die Locke­rung fes­ter Gewohn­hei­ten fin­det oft unter schmerz­haf­ten Pro­zes­sen der Selbst­er­kennt­nis statt, mün­det jedoch in das Erpro­ben neu­er Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Ver­hal­tens­wei­sen. Ziel ist, dass das Team wie­der kon­struk­tiv mit Situa­tio­nen und Her­aus­for­de­run­gen umge­hen kann, was nicht „von heu­te auf mor­gen“ geht. In unse­rer Pra­xis hat sich daher eine Kom­bi­na­ti­on aus zwei metho­di­schen Pha­sen etabliert:

  1. In einer ers­ten, ver­gleichs­wei­se zeit­in­ten­si­ven Arbeits­pha­se (zumeist ein bis zwei Tage) wer­den die Pro­ble­me und der Ver­än­de­rungs­be­darf the­ma­ti­siert (Team­dia­gno­se). Geeig­ne­te Metho­den die­nen hier der Bewusst­wer­dung der Ver­hal­tens­wei­sen und Rol­len­mus­ter. Wir ach­ten hier beson­ders auf Ressourcenorientierung.
  2. Ist die Pha­se des „Auf­tau­ens“ gelun­gen (was sich auch durch eine tem­po­rä­re Ver­schlech­te­rung des Arbeits­kli­mas zei­gen kann), beglei­ten wir den Pro­zess der Ver­än­de­rung oft über einen län­ge­ren Zeit­raum von meh­re­ren Mona­ten hin­weg, um die sich lang­sam ent­wi­ckeln­den neu­en Rol­len­mus­ter durch geeig­ne­te Metho­den (immer wie­der Feed­back, mode­rier­te Dis­kus­sio­nen zum Stand des Teams, wenn gewünscht Übun­gen) zu stabilisieren.

Wich­tig ist aus unse­rer Sicht am Anfang von Team­ent­wick­lun­gen der Hin­weis, dass es das Wesen von Ver­än­de­run­gen ist, dass sich die Situa­ti­on, wer­den die Pro­ble­me erst­mal the­ma­ti­siert, tem­po­rär meist noch ein­mal ver­schlech­tert, bevor es dann zu einer umfas­sen­den Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on kommt.

Zwei­tes Prin­zip: Hier und Jetzt

Die­ses Prin­zip besagt, dass im Mit­tel­punkt des Ent­wick­lungs­pro­zes­ses der Grup­pe oder des Teams die aktu­el­len The­men und Ver­hal­tens­wei­sen ste­hen. Die Inter­ak­ti­on zwi­schen den Betei­lig­ten kon­zen­triert sich also auf das, was gegen­wär­tig geschieht, d.h. auf gegen­wär­ti­ge Ver­hal­tens­wei­sen und Bezie­hungs­mus­ter. Es geht weni­ger um „exter­ne“ The­men. Es geht dem­entspre­chend weder um Feed­back zu Ver­hal­tens­wei­sen in Situa­tio­nen, die vor einem Jahr statt­ge­fun­den haben, noch um eine, wie auch immer gear­te­te, „Auf­ar­bei­tung“ sol­cher Situa­tio­nen. Es geht auch nicht um die mög­li­che Schuld Drit­ter oder die ewig miss­li­chen Umstän­de, denen die aktu­el­le Lage ja geschul­det sei. Sol­chen (unbe­wuss­ten) Ratio­na­li­sie­rungs­stra­te­gien kann nach unse­rer Erfah­rung am bes­ten durch beharr­li­ches, dabei aber stets wert­schät­zen­des Nach­fra­gen begeg­net wer­den. Eine Kon­zen­tra­ti­on auf das „Da & Dort“ führt dazu, dass sich die Team­mit­glie­der in end­lo­sen Recht­fer­ti­gungs- und Rich­tig­stel­lungs­dis­kus­sio­nen ver­lie­ren, dadurch bestehen­de Grä­ben ver­tie­fen und gewohn­te Vor­ur­tei­le gegen­sei­tig bestä­ti­gen. Durch Erfah­run­gen im „Hier & Jetzt“ wird unmit­tel­ba­res Feed­back ermög­licht, das bei den Betei­lig­ten zur Erfah­rung der Wahr­neh­mung und der Kon­se­quen­zen führt.

Drit­tes Prin­zip: Rela­ti­ve Unstrukturiertheit

Um eine The­ma­ti­sie­rung der aktu­el­len Ver­hal­tens­wei­sen und Bezie­hungs­mus­ter über­haupt zu ermög­li­chen, ist es wich­tig, dass Raum und Gele­gen­heit dafür ent­ste­hen. Dies wird durch eine mög­lichst gro­ße Zurück­hal­tung der Mode­ra­to­rin, Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­le­rin oder Trai­ne­rin ermög­licht. Eine mehr oder weni­ger „unzu­rei­chen­de“ bzw. „unsi­che­re“ Struk­tur schafft unter den Teil­neh­mern eine Art pro­vo­zie­ren­den Frei­raums. Die­ser führt letzt­end­lich dazu, dass sich die Teil­neh­mer offe­ner ver­hal­ten, weni­ger Zurück­hal­tung zei­gen und den Frei­raum mit eige­nen – häu­fig ursprüng­li­che­ren, weni­ger rol­len­haf­ten – Ver­hal­tens­wei­sen fül­len. Feed­back (Rück­mel­dung über Wahr­neh­mun­gen, Wir­kung und Wün­sche) und Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on (reflek­tie­ren­de Ana­ly­se) ermög­li­chen, die der erleb­ten (sich selbst struk­tu­rie­ren­den) Situa­ti­on zugrun­de lie­gen­den Rol­len- und Bezie­hungs­mus­ter her­aus­zu­ar­bei­ten. Auch hier möch­ten wir noch ein­mal aus­drück­lich auf eine mög­lichst kon­se­quen­te Res­sour­cen­ori­en­tie­rung hinweisen.

Die rela­ti­ve Unstruk­tu­riert­heit ist wahr­schein­lich das wich­tigs­te Wirk­prin­zip der ange­wand­ten Grup­pen­dy­na­mik, denn erst durch den Struk­turm­an­gel ent­steht der pro­vo­zie­ren­de Frei­raum, Ver­hal­tens­wei­sen und Bezie­hungs­mus­ter zu zei­gen, spä­ter the­ma­ti­sie­ren bzw. reflek­tie­ren und ver­än­dern zu können.

Grund­le­gen­de Inter­ven­ti­ons­tech­ni­ken in Gruppen

Im Zuge von Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lun­gen wird oft mit Grup­pen unter­schied­li­cher Grö­ße und Zusam­men­set­zung gear­bei­tet. Orga­ni­sa­ti­ons- und Team­ent­wick­ler ver­fü­gen über drei grund­le­gen­de Inter­ven­ti­ons­tech­ni­ken. Die­se Tech­ni­ken kön­nen sie sowohl selbst ein­set­zen, als auch die Team­mit­glie­der zum Gebrauch die­ser Tech­ni­ken anhalten.

Die­se Tech­ni­ken sind:

Part­ner­zen­trier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on: pas­siv auf­merk­sa­mes Zuhö­ren, akti­ves Zuhö­ren (Wie­der­ga­be des Inhal­tes einer Nach­richt, auch: „para­phra­sie­ren“), empa­thi­sches Kom­mu­ni­zie­ren (Akti­ves Zuhö­ren plus Wie­der­ga­be von Gefüh­len, Inter­pre­ta­tio­nen, auch: „ver­ba­li­sie­ren“)

Feed­back: Unter Feed­back ver­steht man (zeit­na­he) ver­ba­le und non­ver­ba­le Rück­mel­dun­gen über die Wahr­neh­mung und Wir­kung gezeig­ten Ver­hal­tens. Zwei Arten von Feed­back wer­den unter­schie­den: die kom­pen­sie­ren­de Rück­kopp­lung (führt zu einer Stabilisierung/Beruhigung des Sys­tems) und die kumu­la­ti­ve Rück­kopp­lung (ver­grö­ßert die Abwei­chun­gen vom Sys­tem­zu­stand, führt zu Instabilität).

„Damit sich die Teil­neh­mer bewusst wer­den, wel­che Wir­kung sie auf ande­re haben, geben sie Rück­mel­dung dar­über, wie sie die ande­ren erle­ben, und umge­kehrt erhal­ten Sie Rück­mel­dung dar­über, wie sie von den ande­ren erlebt wer­den.“ (Ner­din­ger et al. 2008, S. 161)

In der prak­ti­schen Umset­zung soll­te Feed­back bestimm­ten Regeln fol­gen, wie zum Beispiel:

  1. Feed­back soll­te mög­lichst direkt/zeitnah erfol­gen und unbe­dingt den Feed­back-Regeln folgen.
  2. Feed­back soll­te res­sour­cen­ori­en­tiert vor­ge­tra­gen wer­den. Erst das Posi­ti­ve, dann die Kri­tik. Kri­tik kann als Wunsch for­mu­liert werden.
  3. Feed­back soll­te beschrei­ben, nicht bewer­ten und soll­te kon­kret sein und nicht allgemein.
  4. Feed­back soll­te Beob­ach­tun­gen und Wir­kun­gen (bspw. Ein­drü­cke) beschrei­ben und kei­ne Inter­pre­ta­tio­nen enthalten.
  5. Feed­back soll­te sich auf etwas bezie­hen, das ver­än­der­bar ist.
  6. Feed­back soll­te zur Ver­bes­se­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­on beitragen.

Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on: Mit Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on wird der Aus­tausch über den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess selbst bezeich­net. Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on ent­hält Aus­sa­gen über Inhal­te, Ver­lauf, (wie­der­keh­ren­de) Mus­ter und beob­ach­te­te Wir­kun­gen eines Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­ses bzw. des­sen Abfol­ge von Inter­ak­tio­nen. Dabei wird sowohl auf situa­tio­na­le Ein­zel­aspek­te, als auch auf über­grei­fen­de Mus­ter geach­tet. Ziel von Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on ist die Bewusst­ma­chung kom­mu­ni­ka­ti­ven Ver­hal­tens, das Benen­nen und Behe­ben von Stö­run­gen sowie die Ver­stär­kung posi­ti­ven Verhaltens.
Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on läuft idea­ler­wei­se in zwei Pha­sen ab: (1) Ver­laufs­ana­ly­se (Wie ver­lief die Kom­mu­ni­ka­ti­on? Was war gut; was hat gestört?) (2) Ver­ein­ba­run­gen für die Zukunft (Was möch­ten wir beim nächs­ten Mal als Spre­cher oder Zuhö­rer anders machen? Wel­che Regeln brau­chen wir?)

„T‑Gruppen erleb­ten zunächst einen wah­ren Boom in den ver­schie­dens­ten Anwen­dungs­be­rei­chen: Sie wur­den als das mäch­ti­ge Instru­ment zur Ände­rung von Men­schen, Grup­pen und schließ­lich gan­zer Orga­ni­sa­tio­nen ange­se­hen (…). Obwohl Meta­ana­ly­sen zei­gen, dass die Labo­ra­to­ri­ums­me­tho­de durch­aus in der Lage ist, Ein­stel­lun­gen zu ver­än­dern (…), ist in der Pra­xis der Orga­ni­sa­tio­nen die­se Eupho­rie mitt­ler­wei­le weit­ge­hend ver­flo­gen: Die Labo­ra­to­ri­ums­me­tho­de wird heu­te kaum noch im Rah­men der OE ein­ge­setzt, vor allem, weil sich die unter Frem­den neu erlern­ten Ver­hal­tens­wei­sen kaum auf die Situa­ti­on in der Arbeit über­tra­gen las­sen. In bestehen­den Arbeits­grup­pen ent­wi­ckelt sich nicht die Offen­heit und Spon­ta­nei­tät wie unter Fremden.
Heu­te wird statt­des­sen im Rah­men der OE bevor­zugt die Metho­de der Team­ent­wick­lung ein­ge­setzt (…). Trotz­dem steht die Labo­ra­to­ri­ums­me­tho­de bei­spiel­haft für die Ver­fah­ren der OE, die auf die Ver­än­de­rung indi­vi­du­el­len Ver­hal­tens sowie auf ver­bes­ser­te Team­fä­hig­keit zie­len. Dabei han­delt es sich durch­gän­gig um Metho­den des Erfah­rungs­ler­nens, d. h., es wird kein Wis­sen von Exper­ten ver­mit­telt, son­dern anhand eige­ner Erfah­run­gen in Grup­pen gelernt. Und der Drei­schritt ‘Auf­tau­en – Ver­än­dern – Ein­frie­ren’ wur­de als all­ge­mei­nes Ver­än­de­rungs­mo­dell der OE über­nom­men, das auch heu­te noch bei den meis­ten Inter­ven­tio­nen in Orga­ni­sa­tio­nen hand­lungs­lei­tend ist.“ (Ner­din­ger et al. 2008, S. 161)

Zwei­ter Hin­ter­grund der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung: Die Daten­er­he­bungs- und Rückkopplungsmethode
Die soge­nann­te Daten­er­he­bungs- und Rück­kopp­lungs­me­tho­de (oder: Sur­vey-Feed­back-Metho­de) geht eben­falls auf Kurt Lewin zurück. Stark ver­ein­facht aus­ge­drückt han­delt es sich um eine Mischung aus Mit­ar­bei­ter­be­fra­gung und Vor­ge­setz­ten­be­ur­tei­lung, deren Ergeb­nis­se an die Orga­ni­sa­ti­ons­mit­glie­der zurück­ge­mel­det und von die­sen (extern oder intern mode­riert) dis­ku­tiert wer­den. Im Grun­de han­delt es sich um ein Instru­ment der Orga­ni­sa­ti­ons­ver­än­de­rung, mit dem sich Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ter gemein­sam ver­än­dern kön­nen, indem das gesam­te mensch­li­che Sys­tem der jewei­li­gen Orga­ni­sa­ti­on sicht­bar und ansprech­bar wird.

Die Metho­de wird in zwei Pha­sen durch­ge­führt: Zunächst wer­den mit Blick auf bestimm­te Fra­ge­stel­lun­gen Daten erho­ben. Hier­zu steht das gesam­te Spek­trum sozi­al­wis­sen­schaft­li­cher Metho­den zur Ver­fü­gung. Die Ergeb­nis­se der Erhe­bun­gen wer­den anschlie­ßend auf­be­rei­tet und an die Befragten/Beteiligten rück­ge­mel­det. Den Befrag­ten kommt dabei die Rol­le von Exper­ten zu, indem ihnen die Mög­lich­keit gege­ben wird, die Ergeb­nis­se der Befra­gung zu ana­ly­sie­ren und zu bewer­ten und eige­ne Vor­schlä­ge zur Lösung der fest­ge­stell­ten Pro­ble­me zu entwickeln.

Im Fol­gen­den wer­den die typi­schen Pha­sen eines OE-Pro­jek­tes dar­ge­stellt, das nach der Sur­vey-Feed­back-Metho­de durch­ge­führt wird – Pha­sen der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung nach von Rosen­stiel et al. 1995:

  1. Kon­takt­pha­se: Kon­takt­auf­nah­me zwi­schen Auf­trag­ge­ber und Berater
  2. Vor­ge­sprä­che: Ers­te Gesprä­che, vor­läu­fi­ge Fest­le­gung des Pro­jekt­rah­mens und ‑umfangs, Vor­ab- Fest­le­gung von Zielen
  3. Ver­ein­ba­rung des Vor­ge­hens: Wich­ti­ge Vor­be­din­gung: Einig­keit über das OE-Pro­jekt; Prä­zi­sie­rung der Form der Zusam­men­ar­beit und der Vor­ge­hens­wei­se (wich­tig: Klient/Auftraggeber/in und Berater/in pla­nen gemein­sam!); Ein­be­zie­hung betrof­fe­ner Mit­ar­bei­ter in alle Pha­sen des Pro­jek­tes, ins­be­son­de­re in Daten­er­he­bung, Rück­kopp­lung, Dia­gno­se und Maß­nah­me­durch­füh­rung (Wün­sche, Vor­schlä­ge, Per­spek­ti­ven); ers­ter Schritt: Dia­gno­se und Ursa­chen­klä­rung der Pro­ble­me, die das OE-Pro­jekt not­wen­dig gemacht haben; zwei­ter Schritt: Klä­rung, wel­che Mit­ar­bei­ter des Unter­neh­mens (des „Kli­en­ten­sys­tems“) als Mul­ti­pli­ka­to­ren und Trä­ger des Pro­jek­tes fun­gie­ren; Klä­rung der Honorarfrage
  4. Daten­er­he­bung: Grund­sätz­lich kann das gesam­te Metho­den­re­per­toire der Sozi­al­for­schung genutzt wer­den. Mög­lich sind bei­spiels­wei­se stan­dar­di­sier­te Instru­men­te zur Erhe­bung des Betriebs­kli­mas oder auch unstruk­tu­rier­te Inter­views. Wich­tig: Ein­be­zie­hung der Sicht­wei­se aller Betei­lig­ten des Systems
  5. Auf­be­rei­tung der Daten: Die erho­be­nen Daten wer­den auf­be­rei­tet, zusam­men­ge­fasst und visua­li­siert. Auch bei der Auf­be­rei­tung ist eine Ein­be­zie­hung von Ange­hö­ri­gen des Sys­tems sinnvoll.
  6. Daten­rück­kopp­lung: Wich­tig ist die Rück­mel­dung der Ergeb­nis­se an alle Betei­lig­ten. Dies kann schrift­lich, münd­lich, indi­vi­du­ell oder in grö­ße­ren Mee­tings erfol­gen. Denk­bar ist auch die Kom­mu­ni­ka­ti­on der Ergeb­nis­se an aus­ge­wähl­te Mul­ti­pli­ka­to­ren, die die Ergeb­nis­se ihrer­seits weiterreichen.
  7. Dia­gno­se: Die rück­ge­mel­de­ten Daten wer­den bewer­tet und inter­pre­tiert. Das Ziel die­ser Pha­se ist eine sys­te­ma­ti­sche Pro­blem­de­fi­ni­ti­on. Die­se Defi­ni­ti­on ist in der Regel sehr schwie­rig, da die anste­hen­den Pro­ble­me von den ver­schie­de­nen Grup­pen häu­fig sehr unter­schied­lich gese­hen und bewer­tet wer­den. Die Pla­nung von Pro­blem­lö­sungs­stra­te­gien kann jedoch nur erfolg­reich sein, wenn sich die Betrof­fe­nen auf eine ein­heit­li­che Defi­ni­ti­on ver­stän­di­gen kön­nen und sich mit die­ser Defi­ni­ti­on iden­ti­fi­zie­ren.“ (von Rosen­stiel et al. 1995, S. 318)
  8. Maß­nah­me­pla­nung und ‑durch­füh­rung: Der umfang­reichs­te und auf­wen­digs­te Teil eines OE-Pro­jek­tes – es wer­den ein­zel­ne Schrit­te und Pro­jek­te zur Lösung der Pro­ble­me geplant. Die Initia­ti­ve, Ver­ant­wor­tung und Orga­ni­sa­ti­on die­ser Pro­jek­te und Schrit­te wer­den von Ein­zel­per­so­nen oder Grup­pen des Ziel­sys­tems über­nom­men. Bera­ter haben ledig­lich eine Mode­ra­to­ren- bzw. Trainerfunktion.
  9. Erfolgs­kon­trol­le: Anhand gemein­sam ent­wi­ckel­ter Erfolgs­kri­te­ri­en und ent­spre­chend aus­ge­wähl­ten Aus­wer­tungs­ver­fah­ren wird die Erfolgs­kon­trol­le von Bera­tern und Betei­lig­ten gemein­sam vorgenommen.

Die­ses Ablauf­mo­dell kann als eines der ide­al­ty­pi­schen Model­le für Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­pro­jek­te ange­se­hen wer­den. Trotz einer Rei­he sol­cher Ver­laufs­mo­del­le für die Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung stellt Kals (2006, S. 52) fest, dass die prak­ti­sche Umset­zung von OE-Pro­jek­ten oft sehr stark von die­sen Model­len abweicht. Es über­wie­ge das Expe­ri­men­tie­ren mit neu­en Möglichkeiten.

Drit­ter Hin­ter­grund der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung: Die sozio­tech­ni­sche Systemtheorie
Die sozio­tech­ni­sche Sys­tem­theo­rie geht von der grund­le­gen­den Annah­me aus, dass die tech­ni­schen (Maschi­nen, Gebäu­de etc.) und die sozia­len (Mit­ar­bei­ter mit ihren Qua­li­fi­ka­tio­nen und Bedürf­nis­sen) Kom­po­nen­ten einer Orga­ni­sa­ti­on nicht getrennt von­ein­an­der betrach­tet wer­den kön­nen und gemein­sam opti­miert wer­den müs­sen. Der wesent­li­che Bei­trag der sozio­tech­ni­schen Sys­tem­theo­rie zur Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung liegt ins­be­son­de­re in der für euro­päi­sche OE-Ansät­ze typi­schen ganz­heit­li­chen Per­spek­ti­ve: Die Betrach­tun­gen kon­zen­trie­ren sich auf die tech­ni­schen Bedin­gun­gen bzw. deren Aus­wir­kun­gen auf das sozia­le Sys­tem sowie auf die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen tech­ni­schen und sozia­len Sys­tem­kom­po­nen­ten. Der Ursprung der Ent­wick­lung der sozio­tech­ni­schen Sys­tem­theo­rie liegt in den For­schun­gen des Lon­do­ner Tavi­stock Insti­tu­te of Human Rela­ti­ons im eng­li­schen Koh­le­berg­bau. Aus­gangs­punkt der Unter­su­chun­gen war die Fra­ge nach den Ursa­chen für ver­gleichs­wei­se häu­fi­ge Unfäl­le, eine hohes Maß an Fluk­tua­ti­on und Fehl­zei­ten sowie eine nied­ri­ge Arbeits­mo­ti­va­ti­on. Im Vor­feld die­ser Pro­ble­me war eine neue, teil­me­cha­ni­sier­te Abbau­me­tho­de ein­ge­führt wor­den, die eine Ver­än­de­rung der Arbeits­tei­lung bzw. des Arbeits­ab­lau­fes zur Fol­ge hat­te. Die bis­he­ri­gen klei­nen und weit­ge­hend selbst­re­gu­lier­ten Arbeits­grup­pen wichen einem Sys­tem, in dem die Arbeits­tei­lung weit­ge­hend zwi­schen auf­ein­an­der­fol­gen­den Schich­ten statt­fand. Koor­di­niert wur­de nicht mehr selbst, son­dern durch aus­icht­füh­ren­de Vor­ge­setz­te. Die Unter­su­chun­gen zeig­ten ein­drück­lich, dass die pro­ble­ma­ti­sche Arbeits­mo­ral nicht direkt auf die neu­en Pro­duk­ti­ons­me­tho­den, son­dern vor allem auf die dadurch ent­stan­de­nen Ver­än­de­run­gen im sozia­len Gefü­ge zurück­zu­füh­ren waren. (Vgl. Ner­din­ger et al. 2008, S. 162f.)

Wo setzt Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung an?
Es kön­nen drei Ansatz­punk­te für Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung unter­schie­den wer­den. Ner­din­ger et al. (2008, S. 163) stel­len drei Ansatz­mög­lich­kei­ten dar und nen­nen ent­spre­chen­de Methoden:

  1. Struk­tu­ra­ler Ansatz: Ansatz­punkt ist die Struk­tur der Orga­ni­sa­ti­on mit dem Ziel, dass sich dadurch die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on ver­än­dert. Metho­den­bei­spie­le: qua­li­ta­ti­ve Anrei­che­rung der Arbeit (job enrich­ment), teil­au­to­no­me Arbeits­grup­pen, Qualitätszirkel
  2. Pro­zes­sua­ler Ansatz: Ansatz­punk­te sind die in der Orga­ni­sa­ti­on ablau­fen­den Pro­zes­se. Metho­den­bei­spie­le: Sur­vey-Feed­back-Metho­de, Pro­zess­be­ra­tung, Teamentwicklung
  3. Per­so­na­ler Ansatz: Ansatz­punkt ist die sozia­le Kom­pe­tenz des ein­zel­nen Mit­ar­bei­ters. Durch Trai­ning sol­len Mit­ar­bei­ter für Grup­pen­pro­zes­se sen­si­bi­li­siert wer­den, wodurch sich (a) eine Ände­rung der Per­son und (b) indi­rekt eine Ände­rung der Orga­ni­sa­ti­on im gewünsch­ten Sin­ne erge­ben soll. Metho­den­bei­spie­le: spe­zi­el­le the­ma­ti­sche Trai­nings (v.a. für Füh­rungs­kräf­te), Coaching

Pra­xis­bei­spiel 1: Organisationsdiagnose
Bun­gard et al. (1996; hier dar­ge­stellt nach Kals, 2006, S. 39ff.) beschrei­ben ein Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­pro­jekt in einem Automobilzulieferbetrieb:

Ein hoher Wett­be­werbs­druck führt bei einem Auto­mo­bil­zu­lie­fer­be­trieb mit etwa 1.000 Mit­ar­bei­tern zu aku­ten Pro­ble­men. Um dem Wett­be­werb stand­zu­hal­ten müs­sen die Kos­ten gesenkt wer­den. Gleich­zei­tig soll dir Qua­li­tät gestei­gert wer­den. In Vor­be­rei­tung der Pla­nung geeig­ne­ter Ver­än­de­rungs­maß­nah­men wird eine Orga­ni­sa­ti­ons­dia­gno­se durch­ge­führt, die alle Berei­che und The­men umfasst – Arbeits­ab­läu­fe, Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, Arbeits­zu­frie­den­heit, Moti­va­ti­on, Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur, Füh­rungs­sti­le etc. (Vgl. Kals, 2006, S. 39)

Die Ana­ly­se der vor­lie­gen­den Daten sowie die Aus­wer­tun­gen der Erhe­bun­gen erga­ben, dass Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung ein sinn­vol­les Instru­ment für die Gestal­tung der Ver­än­de­run­gen ist. Eine der OE-Maß­nah­men bestand in der Ein­füh­rung von Grup­pen­ar­beit, wofür eine Pro­jekt­grup­pe, bestehend aus wich­ti­gen Ver­tre­tern der Füh­rungs­ebe­ne, gegrün­det wur­de. Zur Steue­rung des Pro­jek­tes wur­de der Pro­jekt­lei­ter für ein Jahr von sei­nen sons­ti­gen Auf­ga­ben ent­bun­den. Man ver­fiel nicht in Aktio­nis­mus, son­dern nahm sich vor den ers­ten Umset­zungs­schrit­ten Zeit, ein an die betrieb­li­chen Bedin­gun­gen ange­pass­tes Grup­pen­ar­beits­mo­dell zu ent­wi­ckeln. Zunächst wur­den Zie­le fest­ge­legt. Die Vor­ge­hens­wei­se ent­sprach ins­ge­samt der Schritt­fol­ge Ana­ly­se – Umset­zung – Eva­lua­ti­on. (Vgl. Kals, 2006, S. 52f.)

In der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­pra­xis wer­den je nach Bedarf oft zwei oder alle drei der oben genann­ten Ansät­ze (struk­tu­ra­ler, pro­zes­sua­ler und per­so­na­ler Ansatz) mit­ein­an­der ver­bun­den, wie auch das fol­gen­de Pra­xis­bei­spiel zeigt.

Pra­xis­bei­spiel 2: Stan­dar­di­sier­te Befra­gung und gestuf­ter Betei­li­gungs­pro­zess (aus eige­ner Praxis)

Die Lei­tung eines mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­mens mit etwas mehr als 500 Mit­ar­bei­tern bemerkt durch eine eige­ne, jähr­lich durch­ge­führ­te Mit­ar­bei­ter­be­fra­gung, dass die Stim­mung in der Beleg­schaft schlech­ter gewor­den ist. Zudem hat die Fluk­tua­ti­on zuge­nom­men. Weil man die Ursa­chen genau­er ana­ly­sie­ren will, gibt man eine grö­ße­re, stan­dar­di­sier­te Mit­ar­bei­ter­be­fra­gung in Auf­trag. Wir haben für sol­che Fäl­le einen mehr als 250 Fra­gen umfas­sen­den Erhe­bungs­bo­gen ent­wi­ckelt und füh­ren als Bench­mark für Mit­ar­bei­ter­be­fra­gun­gen alle zwei Jah­re eine für Sach­sen, Sach­sen-Anhalt und Thü­rin­gen reprä­sen­ta­ti­ve Befra­gung durch. Hier ist eine Zusam­men­fas­sung der 2018er Befra­gungs­er­geb­nis­se zu finden.

Nach der Auf­trags­klä­rung mit der Unter­neh­mens­lei­tung haben wir den Fra­ge­bo­gen mit einer Aus­wahl von Mit­ar­bei­tern und Füh­rungs­kräf­ten aus allen Abtei­lun­gen sowie Ver­tre­tern der Unter­neh­mens­lei­tung und des Betriebs­ra­tes im Rah­men eines Work­shops an die spe­zi­fi­schen Belan­ge des Unter­neh­mens ange­passt sowie wich­ti­ge Fra­gen ergänzt.

Die gesam­te Beleg­schaft wur­de durch Füh­rungs­kräf­te, Betriebs­rat und eigens vor­be­rei­te­te Pla­ka­te auf die Befra­gung auf­merk­sam gemacht. Etwa zwei Drit­tel der Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ter haben sich beteiligt.

Nach der Erhe­bung (online und Papier-Fra­ge­bo­gen) haben wir die Ergeb­nis­se aus­ge­wer­tet und gestuft zurück­ge­mel­det. Zunächst haben wir die Ergeb­nis­se mit dem Kreis dis­ku­tiert, mit dem wir die Befra­gung auch vor­be­rei­tet hat­ten. Dann folg­ten die Unter­neh­mens­lei­tung, der Betriebs­rat und ein­zel­ne Abtei­lun­gen. Füh­rungs­kräf­te auf wich­ti­gen Schlüs­sel­po­si­tio­nen erhiel­ten zudem eine per­so­na­li­sier­te Rück­mel­dung mit den Ergeb­nis­sen aus ihrer Abtei­lung bzw. zu ihrer Person.

Die Ergeb­nis­se leg­ten nahe, dass es Schnitt­stel­len­pro­ble­me bei eini­gen abtei­lungs­über­grei­fen­den Pro­zes­sen gab. Der Infor­ma­ti­ons­fluss schien an eini­gen Stel­len stark ein­ge­schränkt. Mit den betrof­fe­nen Teams bzw. Abtei­lun­gen haben wir – zunächst abtei­lungs­in­tern, dann team­über­grei­fend – Schnitt­stel­len­work­shops durch­ge­führt. Wir haben jeweils noch ein­mal die spe­zi­fi­schen Befra­gungs­er­geb­nis­se gezeigt und dann ana­ly­siert, was gut funk­tio­niert und wo es Ver­än­de­rungs­be­darf gibt. Den Ver­än­de­run­ge­be­darf haben wir soweit wie mög­lich kon­kre­ti­siert, in Zie­le, Arbeits­pa­ke­te und Auf­ga­ben über­führt und mit Ter­mi­nen ver­se­hen. Jeweils sechs Wochen bis drei Mona­te spä­ter haben wir Fol­ge­work­shops durch­ge­führt. In der Mehr­zahl ist es gelun­gen, die Pro­zes­se kon­ti­nu­ier­lich zu gestalten.

Zudem haben wir für die das gesam­te Unter­neh­men betref­fen­den Ver­än­de­rungs­er­for­der­nis­se eine Task Force gegrün­det, die sich monat­lich trifft, Pro­ble­me ana­ly­siert, Zie­le fest­legt, Maß­nah­men ent­wi­ckelt und umsetzt.

Wich­tig ist nach unse­rer Erfah­rung vor allem,

  1. dass die Betei­lig­ten wirk­lich offen und ohne Angst spre­chen können,
  2. dass die Arbeit der betref­fen­den Grup­pen tat­säch­lich kon­ti­nu­ier­lich erfolgt und dass die Füh­rung der Orga­ni­sa­ti­on ent­spre­chend Prio­ri­tät und Ver­bind­lich­keit signa­li­siert und Betei­li­gung ein­for­dert, wenn die­se nachlässt,
  3. dass mit mach­ba­ren Pro­jek­ten begon­nen wird und grö­ße­re bzw. schwie­ri­ge­re Vor­ha­ben nicht gleich zu Beginn durch­ge­führt wer­den, um den kon­ti­nu­ier­li­chen Erfolg der Ver­än­de­rungs­be­mü­hun­gen zu sichern,
  4. die ent­spre­chen­den Work­shops und Grup­pen mit den not­wen­di­gen Ent­schei­dungs­spiel­räu­men aus­ge­stat­tet wer­den, denn nichts kann Enga­ge­ment wir­kungs­vol­ler redu­zie­ren als ein wie­der­hol­tes Durch­kreu­zen von Vor­schlä­gen durch die Führungsspitze,
  5. dass die gewähl­ten Metho­den und For­ma­te zur Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur passen.

Es erfor­dert eine inten­si­ve Kennt­nis der Orga­ni­sa­ti­on, um Letz­te­res ein­schät­zen zu kön­nen. Metho­den sind nicht per se rich­tig, son­dern pas­sen zu einer Orga­ni­sa­ti­on oder nicht. Betei­li­gung und Hand­lungs­spiel­räu­me haben bei­spiels­wei­se dort ihre Gren­zen, wo Macht aus­ge­übt wird. Ist also eine Hier­ar­chie stark und mäch­tig, ist die Reich­wei­te bzw. die Gestal­tungs­kraft von Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung von vorn­her­ein begrenzt. Hier kann ein ent­spre­chend lang­sa­mes und behut­sa­mes Vor­ge­hen rat­sam sein.

Neue­re Ansät­ze und The­men der Organisationsentwicklung
Das ursprüng­li­che, klas­si­sche Kon­zept der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung hat­te zum Ziel, durch Ver­än­de­run­gen im Ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on zu errei­chen. In den letz­ten Jahr­zehn­ten haben sich jedoch (1) Kon­zep­te mit prä­zi­se­ren Ziel­set­zun­gen her­aus­ge­bil­det und ist (2) ins­be­son­de­re die Fähig­keit zur ste­ten Ver­än­de­rung bzw. Anpas­sung der Orga­ni­sa­ti­on als Wesens­merk­mal der Orga­ni­sa­ti­on selbst (= ler­nen­de Orga­ni­sa­ti­on) zum The­ma von OE-Pro­zes­sen gewor­den. Ner­din­ger et al. nen­nen die Inno­va­ti­ons­för­de­rung als Bei­spiel für den ers­ten und das Kon­zept der ler­nen­den Orga­ni­sa­ti­on als Bei­spiel für den zwei­ten Trend.

Inno­va­ti­ons­för­de­rung

Die Inno­va­ti­ons­för­de­rung zielt nicht mehr wie die klas­si­schen OE-Kon­zep­te auf die Ent­wick­lung des Indi­vi­du­ums mit dem Ziel, die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on zu ver­bes­sern, son­dern auf die Leis­tung der Orga­ni­sa­ti­on. Je stär­ker ein Markt umkämpft ist, des­to bedeut­sa­mer wer­den Inno­va­tio­nen zu einem Über­le­bens­fak­tor. Inno­va­tio­nen gesche­hen jedoch nicht von selbst, son­dern müs­sen zumeist ange­regt wer­den. Kos­ten- oder Umsatz­ent­wick­lun­gen, Ver­än­de­run­gen auf dem Markt oder auch Ideen selbst kön­nen Aus­lö­ser für Inno­va­ti­ons­pro­zes­se sein, die in der Regel einem bestimm­ten Mus­ter (Impuls, Ideen­fin­dung, Kon­kre­ti­sie­rung, Umset­zung, Durch­set­zung, Rou­ti­ne) fol­gen. Krea­ti­vi­täts­tech­ni­ken kön­nen die Ideen­fin­dung erleich­tern und vie­le Unter­neh­men bie­ten ihren Mit­ar­bei­tern im Rah­men von Ideen­ma­nage­ment­sys­te­men Anrei­ze, Ideen zu ent­wi­ckeln und ein­zu­rei­chen, die dann von dafür ver­ant­wort­li­chen Per­so­nen oder Gre­mi­en aus­ge­wählt und zur Umset­zung vor­ge­schla­gen wer­den. Eine inter­es­san­te orga­ni­sa­ti­ons­psy­cho­lo­gi­sche Fra­ge­stel­lung im Zusam­men­hang mit der Inno­va­ti­ons­för­de­rung ist die nach güns­ti­gen orga­ni­sa­tio­na­len Bedin­gun­gen für Inno­va­tio­nen. Die wesent­li­chen Bedin­gun­gen bil­den dabei die jewei­li­ge Grup­pe und der Führungsstil.

„Als güns­tig erwei­sen sich gewöhn­lich die Hete­ro­ge­ni­tät der Grup­pe – sind sich die Mit­glie­der zu ähn­lich, dann kön­nen sie sich nicht gegen­sei­tig anre­gen – sowie breit gestreu­te Fähig­kei­ten und viel­fäl­ti­ges Wis­sen der Teil­neh­mer. Eher hem­mend wirkt es sich aus, wenn die Mit­glie­der schon län­ge­re Zeit zusam­men­ar­bei­ten und die Grup­pe sehr klein ist. Inno­va­ti­ons­för­der­li­che Füh­rung von Grup­pen stellt hohe Anfor­de­run­gen an die sozia­le Kom­pe­tenz der Füh­rungs­kräf­te. Letzt­lich geht es dar­um, den Mit­ar­bei­tern über­zeu­gend zu ver­mit­teln, dass eine Situa­ti­on ver­än­de­rungs­be­dürf­tig und ver­än­der­bar ist (…). Zu die­sem Zweck müs­sen die Mit­ar­bei­ter höhe­re Anfor­de­run­gen an bestehen­de Situa­tio­nen stel­len und gleich­zei­tig muss ihnen die Mög­lich­keit gege­ben wer­den, Ände­run­gen auch real zu erpro­ben.“ (Ner­din­ger et al. 2008, S. 167)

Ler­nen­de Orga­ni­sa­tio­nen und Wissensmanagement

Seit eini­gen Jahr­zehn­ten sehen sich Orga­ni­sa­tio­nen einer zuneh­men­den Dyna­mik des Mark­tes bzw. ihrer Umwelt aus­ge­setzt, was – so die zen­tra­le Annah­me des Ansat­zes – dazu führt, dass es nicht mehr aus­reicht, auf Wand­lungs­er­for­der­nis­se zu reagie­ren. Viel­mehr müs­sen sich Orga­ni­sa­tio­nen ste­tig mit den Rah­men­be­din­gun­gen ver­än­dern, um am Markt wett­be­werbs­fä­hig zu blei­ben. Orga­ni­sa­tio­nen brau­chen daher die Fähig­keit, sich „aus sich selbst her­aus“ zu ver­än­dern. Orga­ni­sa­tio­nen, die die­se Fähig­keit besit­zen, wer­den als ler­nen­de Orga­ni­sa­tio­nen bezeich­net. Nun kann die Orga­ni­sa­ti­on selbst nicht ler­nen, son­dern nur die Ange­hö­ri­gen einer Orga­ni­sa­ti­on, wes­halb der Begriff der ler­nen­den Orga­ni­sa­ti­on etwas irre­füh­rend ist. Orga­ni­sa­tio­nen neh­men (bspw. durch Wei­ter­bil­dung oder neue Mit­ar­bei­ter) Wis­sen auf und ver­mit­teln die­ses aktiv in die Orga­ni­sa­ti­on hin­ein. (Vgl. Ner­din­ger et al. 2008, S. 167; sie­he dort auch eine Zusam­men­fas­sung der wesent­li­chen Arten orga­ni­sa­tio­na­len Lernens)

Die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren viel dis­ku­tier­ten Kon­zep­te des Wis­sens­ma­nage­ments beschäf­ti­gen sich mit der Gene­rie­rung und dem Aus­tausch von Wis­sen in Orga­ni­sa­tio­nen. Im Grun­de geht beim Wis­sens­ma­nage­ment um Kon­zep­te orga­ni­sa­tio­na­len Ler­nens und damit im wei­tes­ten Sin­ne um Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung. Paw­low­sky (1998, S. 15f.) legt sei­nen Dar­stel­lun­gen die Über­le­gung zugrun­de, dass sich Wert­schöp­fungs­pro­zes­se zuneh­mend „ent­ma­te­ria­li­sie­ren“, was bedeu­tet, dass Maschi­nen und mate­ri­el­le Pro­duk­te zuneh­mend durch Wis­sen bzw. Gedan­ken ersetzt wer­den. Aus die­ser Per­spek­ti­ve sei­en Orga­ni­sa­tio­nen als „ver­netz­te Sys­te­me von Wis­sen“ (Paw­low­sky, 1998, S. 15) zu ver­ste­hen und zu betrach­ten. Orga­ni­sa­tio­nen, so Paw­low­sky wei­ter, hät­ten Kern­kom­pe­ten­zen. Die­se Kern­kom­pe­ten­zen bil­de­ten eine Grund­la­ge; von der immer aus­zu­ge­hen sei.
Beim Wis­sens­ma­nage­ment kön­nen im Wesent­li­chen zwei Rich­tun­gen von Ansät­zen unter­schie­den wer­den: Eine ers­te Grup­pe von Ansät­zen fokus­siert sehr stark Stra­te­gien, Pro­zes­se und die human fac­tors, wäh­rend eine ande­re Grup­pe von Ansät­zen vor allem auf Informations-(management)systeme abstellt (vgl. Riempp, 2004, S. 94). Riempp (ebd.) pos­tu­liert, dass sowohl die letz­te­re, eher tech­nisch ori­en­tier­te Denk­wei­se als auch der erst­ge­nann­te, eher sozio­tech­nisch ori­en­tier­te Ansatz für sich genom­men nicht aus­rei­chend sei­en und schlägt des­halb eine Inte­gra­ti­on bei­der Sicht­wei­sen vor.

Nach unse­ren Erfah­run­gen haben sich die Ansät­ze der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung, der ler­nen­den Orga­ni­sa­ti­on und des Wis­sens­ma­nage­ments in den ver­gan­ge­nen bei­den Jahr­zehn­ten stark mit­ein­an­der ver­mischt und sind in der Pra­xis kaum mehr zu tren­nen. Durch die Digi­ta­li­sie­rung ist Wis­sens­ma­nage­ment zum zuneh­mend selbst­ver­ständ­li­chen Teil der Unter­neh­mens­ent­wick­lung gewor­den, manch­mal sogar zu deren Trei­ber. Und die wach­sen­de Kom­ple­xi­tät und Dyna­mik der (glo­ba­li­sier­ten) Wirt­schaft macht es erfor­der­lich, dass Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung kein Pro­jekt mehr ist, son­dern Daueraufgabe.

Bedin­gun­gen für den Erfolg von OE und Wir­kun­gen von OE-Maßnahmen

Kals (2006, S. 56) nennt fol­gen­de pro­zess­för­der­li­che Vor­aus­set­zun­gen für den Erfolg von Organisationsentwicklungsmaßnahmen:

  1. Die Orga­ni­sa­ti­on soll­te sich nicht in einer Exis­tenz­kri­se befinden.
  2. Es soll­ten kei­ne tief­grei­fen­den Zer­würf­nis­se zwi­schen Betriebs­rat und Manage­ment bestehen.
  3. Es ist güns­tig, wenn bestehen­de Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten weit­ge­hend auto­nom agie­ren kön­nen und gleich­zei­tig mit­ein­an­der kooperieren.
  4. Die Pro­ble­me der Orga­ni­sa­ti­on soll­ten allen Betei­lig­ten bewusst sein.
  5. Es ist för­der­lich, wenn Manage­ment und Beleg­schaft bereits über grup­pen­dy­na­mi­sche Erfah­run­gen verfügen.
  6. Die Orga­ni­sa­ti­ons­mit­glie­der soll­ten bereit sein, mit ver­schie­de­nen Ver­än­de­run­gen zu expe­ri­men­tie­ren und sich auf teil­wei­se lang­fris­ti­ge Ver­än­de­rungs­pro­zes­se einzulassen.
  7. Die mit den Ver­än­de­rungs­maß­nah­men ver­bun­de­nen Per­so­nen (Maß­nah­me-Ent­wick­ler, inter­ne und exter­ne Bera­ter) soll­ten von den Betei­lig­ten akzep­tiert wer­den. Dar­über hin­aus ist per­so­nel­le Kon­ti­nui­tät bei den Bera­tern günstig.

Bei Ner­din­ger et al. (2008, S. 164f.; sie­he dazu auch Kals, 2006, S. 56f.) wer­den die fol­gen­den wesent­li­chen, empi­risch beleg­ba­ren Wir­kun­gen von Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung beschrieben:

  1. Struk­tu­ra­ler Ansatz: Job enrich­ment und die Ein­füh­rung teil­au­to­no­mer Arbeits­grup­pen bewir­ken posi­ti­ve Effek­te auf „wei­che Fak­to­ren“ wie Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den­heit oder posi­ti­ve Ein­stel­lun­gen gegen­über Kol­le­gen, Füh­rungs­kräf­ten und dem Unter­neh­men ins­ge­samt. Die­se Effek­te blei­ben jedoch gering. Eini­ge Inter­ven­tio­nen auf struk­tu­rel­ler Ebe­ne (v. a. Leis­tungs­be­ur­tei­lun­gen, Ziel­ver­ein­ba­run­gen, finan­zi­el­le Anreiz­sys­te­me) haben einen deut­li­chen posi­ti­ven Ein­fluss auf „har­te Kri­te­ri­en“ wie bspw. die Arbeitsproduktivität.
  2. Pro­zes­sua­ler Ansatz: Die klas­si­schen pro­zes­sua­len Ansät­ze (Sur­vey-Feed­back, Pro­zess­be­ra­tung, ins­be­son­de­re Team­ent­wick­lung) zei­gen hohe Wir­kun­gen auf wei­che Fak­to­ren (Arbeits­zu­frie­den­heit, Bin­dung an das Unter­neh­men, Orga­ni­sa­ti­ons­kli­ma, Koope­ra­ti­on, Kom­mu­ni­ka­ti­on). Dar­über hin­aus las­sen sich auch posi­ti­ve Ein­flüs­se auf har­te Kri­te­ri­en fin­den, aller­dings sind die­se weni­ger stark.
  3. Per­so­na­ler Ansatz: Klas­si­sche grup­pen­dy­na­mi­sche Trai­nings haben kei­ne empi­risch mess­ba­ren posi­ti­ven Ein­flüs­se auf har­te oder wei­che Fak­to­ren. Gerin­ge posi­ti­ve Ein­flüs­se las­sen sich nur dann fest­stel­len, wenn das Trai­ning ganz beson­ders gut auf die jewei­li­gen Arbeits­be­rei­che der Teil­neh­mer abge­stimmt ist.

Eine Unter­su­chung von Macy & Izu­mi (1993; hier dar­ge­stellt nach Ner­din­ger et al. 2008, S. 165) macht deut­lich, wel­che OE-Maß­nah­men auf wel­cher Orga­ni­sa­ti­ons­ebe­ne die stärks­ten Effek­te hat:

„Ver­su­che, die gan­ze Orga­ni­sa­ti­on zu ver­än­dern, füh­ren zu den stärks­ten Ver­bes­se­run­gen im finan­zi­el­len Bereich. Inter­ven­tio­nen auf der Ebe­ne von Grup­pen, z. B. von Abtei­lun­gen, füh­ren zu den stärks­ten Ver­bes­se­run­gen im Ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter. Die Ein­wir­kung auf den ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter dage­gen hat in allen Kate­go­rien – Finan­zen, Ver­hal­ten und Ein­stel­lung – den gerings­ten Effekt.“ (Ner­din­ger et al. 2008, S. 165)

Fazit

Grob zusam­men­ge­fasst bewirkt Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung eine Bewusst­wer­dung der Lage der Orga­ni­sa­ti­on und der Bezie­hun­gen zwi­schen den han­deln­den Per­so­nen. Die­se wer­den als Exper­ten für ihre eige­nen Belan­ge an der Ana­ly­se der Lage und an der Ent­wick­lung und Umset­zung von Hand­lungs­op­tio­nen betei­ligt. Wäh­rend Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung noch mehr oder min­der nur einen Zyklus von Mes­sung – Rück­mel­dung – Ana­ly­se – Ent­wick­lung von Hand­lungs­op­tio­nen – Umset­zung – Kon­trol­le bedeu­te­te, liegt der wesent­li­che Unter­schied zu einer ler­nen­den Orga­ni­sa­ti­on dar­in, dass letz­te­re aus sich selbst her­aus in der Lage ist, ihre Situa­ti­on zu ana­ly­sie­ren und Ver­än­de­run­gen zu initi­ie­ren, not­wen­di­ge Refle­xio­nen und Ana­ly­sen also kon­ti­nu­ier­lich betreibt und Schrit­te selbst ein­lei­tet, umsetzt und deren Erfolg ana­ly­siert, was wie­der­um zur Grund­la­ge für einen neu­en Zyklus der Anpas­sung wird.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Jörg Heidig, Jahrgang 1974, nach Abitur und Berufsausbildung in der Arbeit mit Flüchtlingen zunächst in Deutschland und anschließend für mehrere Jahre in Bosnien-Herzegowina tätig, danach Studium der Kommunikationspsychologie, anschließend Projektleiter bei der Internationalen Bauausstellung in Großräschen, seither als beratender Organisationspsychologe, Coach und Supervisor für pädagogische Einrichtungen, soziale Organisationen, Behörden und mittelständische Unternehmen tätig. 2010 Gründung des Beraternetzwerkes Prozesspsychologen. Lehraufträge an der Hochschule der Sächsischen Polizei, der Dresden International University, der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz.